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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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mich, und wir beide betrachten den blutigen Felsen und die Hände des Jungen. »Er hat es nicht geschafft, reinzukommen«, sage ich. »Und dann hat er die blaue Tablette genommen, aber es war zu spät.«
    Indie sieht mich an. Prüfend gleiten ihre Augen über mein Gesicht.
    »Wir müssen raus aus diesem Canyon«, sage ich. »Die Gesellschaft ist hier, das spüre ich.«
    Indie schweigt. »Du hast recht«, sagt sie nach einem Augenblick. »Wir sollten zurück in die andere Schlucht klettern. Dort gab es wenigstens Wasser.«
    »Meinst du, wir müssen auf demselben Weg zurückkehren, den wir gekommen sind?«, frage ich, und als ich an die vielen Leichen auf dem Hochplateau denke, läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter.
    »Nein, wir können hier rüberklettern«, erwidert Indie. »Schließlich haben wir jetzt ein Seil.« Sie zeigt auf die Wurzeln der Bäume, die sich an die Felswände klammern und dort wachsen, wo man keine Bäume vermuten würde. »Dadurch sparen wir Zeit.« Sie öffnet ihren Rucksack und holt das Seil heraus. Ich beobachte, wie sie es hervorzieht und sich über die Schulter legt und dann sorgfältig irgendetwas in ihrem Rucksack zurechtrückt.
    Das Wespennest
, denke ich. »Du hast es aufbewahrt«, sage ich.
    »Was?«, fragt Indie erschrocken.
    »Dein Wespennest«, antworte ich. »Es ist nicht kaputtgegangen.«
    Indie nickt mit misstrauischem Gesichtsausdruck. Ich muss etwas Falsches gesagt haben, kann mir aber nicht vorstellen, was. Eine tiefe Müdigkeit überkommt mich, und ich habe den seltsamen Wunsch, mich einfach zusammenzurollen wie der Junge und mich hier auf dem Boden auszuruhen.

    Als wir die Felswand erklettert haben, blicken wir nicht in die Richtung, in der die Leichen liegen, obwohl wir sowieso zu weit entfernt sind, um etwas erkennen zu können.
    Ich schweige. Indie ebenfalls. Im kalten Wind und unter grauem Himmel überqueren wir rasch das Plateau zwischen den Schluchten. Der schnelle Lauf macht mich wach und erinnert mich daran, dass ich noch am Leben bin, dass ich mich noch nicht hinlegen und ausruhen kann, egal, wie sehr ich mich danach sehne.
    Es scheint, als seien Indie und ich die einzigen lebenden Wesen in den Äußeren Provinzen.
    Als wir die andere Seite erreicht haben, befestigt Indie das Seil. »Komm«, sagt sie und wir lassen uns hinuntergleiten in die erste Schlucht, unseren Ausgangspunkt. Zwar haben wir bisher keine Spuren von Ky gefunden, aber dafür gibt es dort Wasser und jedenfalls auch keine Spuren von der Gesellschaft. Bis jetzt.
     
    Meine Hoffnung ist ein Fußabdruck, zumindest ein halber, wo jemand unvorsichtig geworden und in den weichen Schlamm getreten ist, der später erhärtet ist, zu zäh, um von den Abend- und Morgenwinden weggeblasen zu werden.
    Ich versuche, nicht an andere Spuren zu denken, die ich in diesen Schluchten gesehen habe, fossile Überreste aus so fernen Zeiten, dass nichts als Abdrücke oder Knochen der einstigen Lebewesen zurückgeblieben sind. Doch diese Spur ist frisch. Das muss ich glauben. Ich muss daran glauben, dass es hier noch andere Menschen gibt. Und ich muss glauben, dass es Ky sein könnte.

Kapitel 17 KY

    Wir verlassen die Canyons. Die Schluchten und die Niederlassung der Farmer liegen hinter uns. Unterhalb von uns erstreckt sich die weite Ebene, eine braungoldene Graslandschaft. Baumgruppen säumen einen Fluss, und am Horizont ragen die blaugrauen Berge mit den weißen Gipfeln auf. Ewiger Schnee.
    Zu jeder Jahreszeit ist es ein langer Weg, besonders aber jetzt, kurz vor Wintereinbruch. Ich weiß, dass unsere Chancen nicht gut stehen, bin aber trotzdem froh, es bis hierher geschafft zu haben.
    »Es ist so schrecklich weit!«, sagt Eli neben mir, mit zittriger Stimme.
    »Vielleicht ist es gar nicht so weit, wie es auf der Karte aussieht«, erwidere ich.
    »Lasst uns hinunter zu dieser ersten Baumgruppe steigen«, schlägt Vick vor und zeigt in die Richtung.
    »Ist das nicht zu gefährlich?«, wendet Eli ein, den Blick zum Himmel gerichtet.
    »Nicht, wenn wir vorsichtig sind«, antwortet Vick und setzt sich bereits in Bewegung, die Augen auf den Fluss geheftet. »Das ist schon ein anderes Kaliber als der Bach in der Klamm. Ich wette, hier gibt es richtig große Fische!«
     
    Wir erreichen die erste Baumgruppe. »Was weißt du über das Angeln?«, fragt mich Vick.
    »Nichts«, antworte ich. Ich weiß nicht mal viel über Wasser. Es gab nur sehr wenig davon in der Umgebung unseres Dorfes außer dem, was die Gesellschaft zu uns

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