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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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ersten Mal Reliefs wie diese gesehen habe, nämlich in der kleinen Felsspalte in der Nähe unseres Dorfes. Meine Eltern sind mit mir dorthin gegangen, als ich noch klein war, und wir versuchten zu erraten, was die Symbole bedeuten konnten. Mein Vater versuchte, die Figuren im Sand zu kopieren. Das war, noch bevor er schreiben lernte. Er war immer wissbegierig und suchte in allem nach einer Bedeutung, in jedem Symbol, jedem Wort und jeder Begebenheit. Wenn er keine Bedeutung fand, dachte er sich eine aus.
    Doch diese Höhle ist unglaublich. Die Farben leuchten, und die Reliefs sind fein ausgearbeitet. Im Gegensatz zum Staub auf dem Boden wird das Gestein hier heller statt dunkler, wenn man hineinritzt.
    »Wer hat das gemacht?«, fragt Eli und durchbricht damit die Stille.
    »Viele verschiedene Menschen«, antworte ich. »Die Gemälde scheinen noch nicht so alt zu sein. Sie sehen aus wie das Werk der Farmer. Die Reliefs sind älter.«
    »Wie viel älter?«, fragt Eli.
    »Tausende von Jahren«, antworte ich.
    Die ältesten Reliefs zeigen Menschen mit gespreizten Fingern und breiten Schultern. Sie sehen stark aus. Einer scheint hinauf zum Himmel zu greifen. Ich sehe mir die Gestalt lange an, diese hinaufreichende Hand, und denke an das letzte Mal, als ich Cassia sah.

    Die Gesellschaft fand mich am frühen Morgen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, die Sterne aber schon verblasst.
    Ich erwachte sofort, als sie sich in der Dunkelheit über mich beugten, um das zu sagen, was sie immer sagten:
Sie haben nichts zu befürchten. Bitte kommen Sie mit uns.
Doch ich schlug auf sie ein, noch bevor sie ein Wort hervorbringen konnten. Ich prügelte sie bis aufs Blut, bevor sie mir etwas antun konnten. All meine Instinkte riefen: kämpfe! Und das tat ich auch. Dieses eine Mal.
    Ich kämpfte, weil ich Frieden bei Cassia gefunden hatte. Weil ich wusste, dass ich Ruhe in ihrer Berührung finden würde, die mich sowohl verbrannte als auch reinwusch.
    Der Kampf dauerte nicht lange. Sie waren zu sechst. Patrick und Aida waren noch nicht wach. »Kommen Sie mit, ohne Lärm zu machen«, sagten die Funktionäre und Polizisten. »Das wird die Sache für alle erleichtern. Oder müssen wir Sie knebeln?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Irgendwann zeigt sich die Klassifikation doch immer«, sagte einer zu den anderen. »Dieser hier sollte angeblich einfach sein, jahrelang war er gefügig. Aber Aberration bleibt nun mal Aberration.«
    Wir waren schon fast zur Tür hinaus, als Aida uns hörte.
    Und dann gingen wir durch die dunklen Straßen, während Aida schrie und Patrick leise, beschwörend und ruhig auf meine Begleiter einredete.
    Nein. Ich will nicht an Patrick und Aida denken und daran, was danach geschah. Ich liebe sie mehr als alles andere auf der Welt. Außer Cassia. Und wenn ich sie jemals finde, werden wir die beiden suchen. Aber ich muss den Gedanken an sie unterdrücken – die Eltern, die mich aufnahmen und nichts dafür zurückerhielten außer einen neuen Verlust. Es war tapfer von ihnen, noch einmal zu lieben. Das machte mich glauben, ich könne es auch.
    Blut sammelte sich in meinem Mund und unter meiner Haut, wo es später zu Blutergüssen gerann. Den Kopf hielt ich gesenkt, meine Hände waren hinter dem Rücken gefesselt.
    Und dann.
    Mein Name.
    Sie rief meinen Namen, vor allen anderen. Ihr war egal, wer erfuhr, dass sie mich liebte. Auch ich rief ihren Namen. Ich sah ihre wirren Haare, ihre nackten Füße und ihre Augen, die nur mich ansahen, und dann zeigte sie hinauf zum Himmel.
    Ich weiß, du wolltest sagen, dass du mich nie vergisst, Cassia, aber ich befürchte, das hältst du nicht durch.

    Wir räumen trockenes Gestrüpp und kleine Steine beiseite, um uns einen Lagerplatz zu schaffen. Einige der Steine sind Feuersteine, den die Farmer wahrscheinlich hier aufbewahrt haben, um Feuer machen zu können. Ich nehme einen mit. Außerdem finde ich einen fast kreisrunden Sandstein, der mich sofort an meinen Kompass erinnert.
    »Meinst du, hier haben ein paar Farmer auf ihrem Weg aus der Schlucht kampiert?«, fragt Eli.
    »Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Könnte sein. Es sieht so aus, als sei die Höhle oft benutzt worden.« Holzkohlekreise von alten Feuern und sandige, verwischte Fußspuren finden sich auf dem Boden sowie hier und da Knochen von Tieren, die gegart und verzehrt worden sind.
    Eli schläft rasch ein, wie immer. Er hat sich genau unter dem Relief einer Gestalt zusammengerollt, die beide Arme hoch erhoben

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