Cassia & Ky – Die Flucht
entsetzt hervor. Das war gefährlich! Aber sie hat es genau gewusst und es trotzdem versucht. Ich muss es ihr nicht unter die Nase reiben.
»Stattdessen hat mir der Archivar eine Geschichte gegeben«, erzählt sie. »Erst dachte ich, er hätte mich betrogen, und ich war unglaublich wütend – alles, was mir geblieben war, um zu dir zu finden, waren die blauen Tabletten.«
»Moment«, unterbreche ich sie. »Welche blauen Tabletten?«
»Die von Xander«, sagt sie. »Ich habe sie behalten, weil ich dachte, dass wir sie unterwegs zum Überleben brauchen würden.« Sie sieht mich an und deutet meinen Gesichtsausdruck falsch. »Es tut mir leid. Ich musste mich so schnell entscheiden und …«
»Nein, ich bin doch nicht deswegen böse!«, erwidere ich und umfasse ihren Arm. »Es ist nur: Die blauen Tabletten sind giftig! Hast du welche genommen?«
»Nur eine«, antwortet sie. »Deswegen glaube ich nicht, dass sie schädlich sind.«
»Ich habe versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen«, mischt sich Indie ein. »Ich war nicht dabei, als sie sie genommen hat.«
Ich atme tief durch und frage Cassia: »Wie hast du es geschafft, dich anschließend überhaupt noch zu bewegen? Hast du etwas gegessen?« Sie nickt. Ich hole etwas von dem Fladenbrot aus dem Rucksack. »Iss das jetzt«, sage ich. Auch Eli holt etwas Brot hervor und hält es ihr hin.
Cassia nimmt das Essen von uns beiden an. »Woher wisst ihr, dass die Tabletten vergiftet sind?«, fragt sie, noch immer skeptisch.
»Vick hat es mir erzählt«, antworte ich und versuche, nicht in Panik zu geraten. »Die Gesellschaft hat uns immer weisgemacht, dass uns die blauen Tabletten im Notfall retten würden. Aber das stimmt nicht. Stattdessen lähmen sie einen. Wenn nicht rechtzeitig Hilfe kommt, muss man sterben.«
»Ich glaube es immer noch nicht«, entgegnet Cassia. »Xander würde mir nie etwas geben, was mir schaden könnte.«
»Vielleicht hat er es nicht gewusst«, gebe ich zu bedenken. »Oder er wollte, dass du die blauen Tabletten gegen irgendetwas eintauschst.«
»Wenn sie auf dich diese Wirkung hätten, müsste die längst eingetreten sein«, sagt Indie zu Cassia. »Aber du hast dich irgendwie durchgekämpft. Davon habe ich noch nie gehört. Du hast nicht ein einziges Mal innegehalten, bis du Ky gefunden hattest.«
Wir alle sehen Cassia an. Sie sieht nachdenklich aus, den Blick ins Leere gerichtet. Sie sortiert Informationen. Sie sucht nach Erklärungen für das, was geschehen ist, aber es gibt nur eine einzige: Cassia besitzt eine solche Stärke, gegen die selbst die Gesellschaft machtlos ist.
»Ich habe nur eine genommen«, sagt sie leise. »Die zweite, die ich nehmen wollte, habe ich fallen lassen. Und den Papierschnipsel, der dabei war, auch.«
»Was für einen Papierschnipsel?«, frage ich.
Cassia blickt auf, als würde ihr jetzt wieder bewusst, dass wir sie umringen. »Xander hat kleine bedruckte Papierschnipsel mit Informationen von seinem Mikrochip in der Tablettenverpackung versteckt.«
»Wie hat er das gemacht?«, frage ich. Indie lehnt sich nach vorn.
»Ich weiß nicht, wie er irgendetwas von alldem zustande gebracht hat, weder, wie er die Tabletten gestohlen, noch, wie er die Nachrichten hineingeschmuggelt hat«, antwortet Cassia. »Aber er hat es getan.«
Xander. Ich schüttele den Kopf. Immer dasselbe Spiel. Natürlich hat Cassia ihn nicht völlig vergessen. Er ist ihr bester Freund und noch immer ihr auserwählter Partner. Doch ihr die Tabletten zu geben war ein großer Fehler.
»Würdest du sie mir zurückgeben?«, bittet Cassia Indie. »Nicht die Tabletten, nur die Zettel.«
Wieder sehe ich Indies Augen aufblitzen. Irgendwie herausfordernd. Keine Ahnung, ob sie die Zettel wirklich behalten will oder ob sie nur nicht mag, wenn man ihr sagt, was sie tun soll. Doch dann greift sie in ihren Rucksack und holt die auf der Rückseite mit Folie verschweißten Plastikstreifen heraus. »Hier«, sagt sie. »Ich kann ohnehin weder das eine noch das andere gebrauchen.«
»Wirst du mir erzählen, was auf den Zetteln stand?«, frage ich und versuche, nicht eifersüchtig zu klingen. Indie wirft mir einen scharfen Seitenblick zu, und ich weiß, dass sie mich durchschaut hat.
»Nur solche Sachen wie seine Lieblingsfarbe und seine Lieblingsaktivität«, antwortet Cassia sanft. Auch sie muss den Missklang in meiner Stimme herausgehört haben. »Ich glaube, er weiß, dass ich mir den Mikrochip nie angesehen habe.«
Und einfach so lösen sich meine
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