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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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bitte ich Indie. Ich bemerke, dass sie zwei Rucksäcke und zwei Feldflaschen trägt. Wie konnte das passieren? Trägt sie meine Sachen? Ich bin zu müde, um mich darum zu kümmern.
    »Was soll ich denn sagen?«, fragt sie.
    »Irgendetwas.« Ich muss irgendetwas anderes außer meinem eigenen Atem und meinem eigenen müden Herzen hören.
    Irgendwann, bevor sich Indies Worte in meinen Ohren in bedeutungslose Klänge auflösen, stelle ich fest, dass sie mir von sich erzählt, sehr viel sogar, ja, dass sie gar nicht mehr aufhören kann zu reden, jetzt, wo sie glaubt, ich sei zu erledigt zum Zuhören. Ich wünschte, ich könnte besser aufpassen und mich an das erinnern, was sie sagt. So aber bleiben nur wenige Satzfetzen haften:
     
    Immer abends vor dem Einschlafen
    und
    Ich dachte, hinterher wäre alles anders
    und
    Ich weiß nicht, wie lange ich noch glauben kann
     
    Fast klingt es wie ein Gedicht, und wieder frage ich mich, ob ich es schaffen werde, meine Verse für Ky zu beenden. Ob ich die richtigen Worte finde, wenn ich ihn endlich wiedersehe. Ob er und ich jemals genügend Zeit haben werden, um über die Anfänge hinauszukommen.
    Ich würde Indie gerne um eine weitere blaue Tablette aus meinem Rucksack bitten, aber rechtzeitig fällt mir ein, wie Großvater zu mir gesagt hat, ich sei stark genug, um ohne die Tabletten auszukommen.
    Großvater
, denke ich,
ich habe dich nicht so gut gekannt, wie ich geglaubt habe. Die Gedichte. Ich dachte, ich hätte gewusst, was du damit beabsichtigt hast. Aber an welches sollte ich glauben
?
    Ich denke an das, was Großvater zu mir gesagt hat, als ich bei unserer letzten Begegnung die Puderdose mit den Papieren darin entgegennahm. »Cassia«, flüsterte er, »Ich schenke dir etwas, das du im Moment sicher noch nicht verstehst. Aber ich glaube, dass du es eines Tages verstehen wirst. Du mehr als jeder andere.«
    Ein Gedanke flattert mir durch den Kopf wie ein Trauermantel, einer jener Falter, die hier und auch daheim in Oria ihre Kokons reihenweise an die Zweige heften. Er ist mir schon früher durch den Kopf gehuscht, aber bisher habe ich ihn nicht zugelassen.
    Großvater, warst
du
einst der Steuermann?
    Dann steigt ein neuer Gedanke in mir auf, leicht und schnell, so dass ich ihn zunächst nicht erfassen kann und er wiederum nur den Eindruck sanft flatternder Flügel hinterlässt.
    »Ich brauche sie nicht mehr«, sage ich mir. Die Tabletten, die Gesellschaft. Ich weiß nicht, ob ich das tief in mir wirklich meine. Aber so sollte es wohl sein.
    Dann trifft mich die Erkenntnis. Ein Kompass, aus Stein gemeißelt, liegt auf einem Felsvorsprung praktisch auf Augenhöhe.
    Ich nehme ihn in die Hand, obwohl ich ansonsten alles losgelassen habe.
    Ich trage ihn beim Weiterwandern, obwohl er mehr wiegt als viele Dinge, ich auf die Erde fallen ließ. Ich denke:
Das ist gut, obwohl er schwer ist.
Ich denke:
Das ist gut, weil es mich am Boden hält.

Kapitel 21 KY

    »Sprich die Verse«, bittet mich Eli.
    Mir zittern vor Erschöpfung nach der stundenlangen Arbeit die Hände. »Ich kann nicht, Eli. Sie haben nichts zu bedeuten.«
    »Sag sie!«, befiehlt Eli, und erneut kommen ihm die Tränen. »Bitte!«
    »Ich kann es nicht«, erwidere ich und lege den Sandsteinfisch auf das Grab.
    »Du musst sie sagen!«, beharrt Eli. »Du musst es tun, für Vick.«
    »Ich habe für Vick schon alles getan, was ich konnte«, sage ich. »Das haben wir beide. Wir haben versucht, den Fluss zu retten. Es ist Zeit, zu gehen. Er würde dasselbe tun.«
    »Wir können die Ebene jetzt nicht überqueren«, entgegnet Eli.
    »Wir bleiben in der Nähe der Bäume«, schlage ich vor. »Es ist noch nicht dunkel. Wir sollten versuchen, so weit wie möglich zu kommen.«
     
    Wir kehren zu unserem Lagerplatz an der Mündung der Schlucht zurück, um unsere Sachen zu holen. Als wir die geräucherten Fische einwickeln, hinterlassen sie silberne Schuppen auf unseren Händen und Kleidern. Eli und ich teilen die Nahrung aus Vicks Rucksack untereinander auf. »Möchtest du welche davon?«, frage ich Eli, als wir die Broschüren finden, die Vick mitgenommen hat.
    »Nein«, antwortet Eli. »Ich mag die Bücher lieber, die ich ausgesucht habe.«
    Ich schiebe ein Heft in meinen Rucksack und lasse die anderen zurück. Es hat keinen Zweck, sie alle mitzuschleppen.
    In der Dämmerung nehmen Eli und ich den Marsch über die Ebene in Angriff.
    Auf einmal hält Eli inne und blickt zurück. Ein Fehler.
    »Wir müssen weiter, Eli.«
    »Warte!«,

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