Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
enttäuscht, daß sie sich entschlossen hatte, nicht zurückzukehren«, sagte Mr. Meeks. Tränen traten mir in die Augen, als ich ihn das sagen hörte, und ich erinnerte mich an meine Trauer, als ich das Lehren aufgab, um in Farthy zu leben. Logan griff unter dem Tisch nach meiner Hand.
»Danke. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
»Sie können jetzt an Ihren Platz zurückgehen, Mr. Meeks.«
»Euer Ehren«, sagte Lakewood, »wir möchten jetzt Reverend Wayland Wise in den Zeugenstand rufen.«
Dieses Mal ging ein leises Raunen durch das Publikum, so als hätten alle gleichzeitig eingeatmet. Reverend Wise, der ganz hinten im Gerichtssaal stand, schritt langsam und bedächtig zum Zeugenstand. Nie zuvor hatte er so grimmig und vornehm ausgesehen. Die Menschen, die am Mittelgang saßen, lehnten sich zurück, als würde er die Luft zerschneiden, so wie Moses das Rote Meer geteilt hatte. Sogar der Richter schien beeindruckt zu sein. Die Stimme des Reverends war laut und fest, als er den Eid schwor. Er ergriff dabei die Bibel und legte die Hand darauf. Sein Gesicht war ernst und seine Augen durchdringend, als sei er in der Kirche und blickte dem Teufel direkt ins Angesicht.
Aufgeregt erwartete ich seine Aussage.
Als ich zu Fannys Tisch hinübersah, blickte sie entspannt und ruhig drein. Sie sagte ihrem Anwalt etwas ins Ohr, worauf er nickte, lächelte und ihr die Hand tätschelte. Randall starrte mit fast ausdruckslosem Gesicht nach vorn. Dann wandte er sich in meine Richtung. Er sah aus wie ein Mann, der in eine Falle geraten war. Es sah fast so aus, als wollte er sich bei mir entschuldigen. Aber Fanny gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen, und er drehte sich schnell wieder weg.
»Reverend Wise, würden Sie dem Gericht erzählen, unter welchen Umständen Sie Fanny Casteel in Ihr Heim aufnahmen und wie Sie sie behandelten?«
»Der Herr befähigt uns, einander auf vielen Wegen zu helfen, wenn es unser Herz wünscht«, begann der Reverend. »Man hatte mir von der traurigen Lage der Casteel-Familie berichtet; die Kinder hatten keine Mutter, und der Vater war die meiste Zeit auch nicht zu Hause. So lebten sie in einer elenden Hütte in den Willies, hungrig, frierend und ohne daß sich jemand um sie gekümmert hätte. Meine Frau und ich berieten uns, und wir beschlossen, eines der armen Wesen bei uns aufzunehmen. Wir wollten uns um das Kind kümmern, wie auch der Herr für uns gesorgt hat«, sagte er. Einige der Gemeindeglieder nickten und lächelten selbstgerecht.
»Und so nahmen Sie Fanny Casteel mit zu sich nach Hause, um für sie zu sorgen wie für eine Tochter. Sie gaben ihr sogar Ihren Namen und änderten ihren Vornamen, stimmt das?«
»Das taten wir freudig.«
»Bitte, beschreiben Sie, wie Fanny sich bei Ihnen entwickelte.«
»Sie war dankbar und glücklich, bei uns sein zu dürfen. Natürlich unterrichtete ich sie über die Wege der Rechtschaffenheit. Ich kannte die Umgebung, in der sie gelebt hatte, und wußte, wie es ihr moralisch geschadet haben mußte.«
»War Ihre Erziehung erfolgreich?« fragte Lakewood. Reverend Wises schwarze Augen richteten sich auf Fanny und dann auf das Publikum.
»Sie war ein schwieriges Kind, oft leichtsinnig! Ich hatte das Gefühl, der Teufel hätte tatsächlich Besitz von ihr ergriffen.«
»Ich verstehe. So hatte sich ihr Verhalten, also ihr Verhalten, das Mr. Meeks beschrieben hat, nicht verändert, obwohl sie nun ein warmes Heim hatte und geliebt wurde? Ist das richtig?«
»Der Teufel ist nun einmal ein kluger Feind.«
»Bitte, Reverend, beantworten Sie die Frage mit ja oder nein.«
»Ja.«
»Und in dieser Zeit wurde Fanny zur Frau«, sagte Lakewood. Er machte eine dramatische Pause. Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so still war es. Einen Moment lang betrachtete Lakewood das Publikum, dann drehte er sich plötzlich auf dem Absatz um und sah dem Reverend ins Gesicht. »Reverend Wise, wurde Fanny schwanger, als sie bei Ihnen lebte?«
Schweigend beugte der Reverend den Kopf wie zu einem stillen Gebet. Dann, langsam, sehr langsam hob er die Augen und sah Camden Lakewood an.
»Das wurde sie.«
»Und was boten Sie ihr an?«
»Meine Frau und ich waren damals kinderlos, und wir entschlossen uns, das Kind zu uns zu nehmen und zu erziehen – genauso, wie wir Fanny aufgenommen hatten. Der Herr hatte uns eine weitere Möglichkeit gegeben, Gutes zu tun, und wir fühlten uns in der Tat gesegnet.« Das Publikum wurde unruhig, aber als der Richter mit dem Hammer auf den
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