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Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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war noch immer viel zu benommen von den tragischen Ereignissen.
    »Das macht nichts. Dann werde ich dich jedesmal überraschen.« Er beugte sich zu mir herab und küßte mich auf die Stirn. Einen Augenblick lag seine Hand auf meiner Schulter. »Ich bin so froh, daß du wieder gesund werden wirst, Annie. Und es ist so wunderbar, daß du bei mir bleiben wirst und ich dir helfen kann!« Sein Gesicht war jetzt dicht über mir, und ich spürte, wie seine Wange die meine streifte. Dann küßte er mich noch einmal und verließ das Zimmer.
    Mrs. Broadfield kontrollierte meinen Blutdruck und wusch mich mit einem Schwamm und warmem Wasser. Dann lag ich mit geöffneten Augen wie in einem Traum da und kämpfte gegen meine Tränen an. Schließlich schloß ich die Augen und verfiel in einen leichten Dämmerschlaf.
    Drake kam am nächsten Tag wieder, um mich zu besuchen. Ich war so glücklich, ihn zu sehen. Ich war an einem fremden Ort, weit von zu Hause entfernt, doch ich hatte meine Familie in der Nähe! Er kam an mein Bett und küßte mich; dann drückte er mich so vorsichtig an sich, als wäre ich so zerbrechlich wie eine kostbare Porzellanpuppe.
    »Du hast heute etwas mehr Farbe. Wie fühlst du dich?«
    »Sehr müde. Ich schlafe immer wieder ein und träume wirre Dinge. Und jedesmal, wenn ich aufwache, muß ich mir klar machen, wo ich bin und was geschehen ist. Mein Gehirn will die Wahrheit noch nicht akzeptieren. Es ist ständig bemüht, alles zu verdrängen.«
    Er lächelte, nickte und strich mir über das Haar.
    »Wo warst du? Was hast du gemacht?« fragte ich besorgt, denn ich wollte erfahren, wie er mit den tragischen Ereignissen und seinem Kummer fertig wurde.
    »Ich habe mich entschlossen, auf dem College zu bleiben und das Semester zu beenden.«
    »Oh?« Ich hatte geglaubt, die Welt müßte nach dieser Tragödie für eine Zeit stillstehen. Wie konnte es irgend jemanden geben, der noch arbeitete, lebte oder womöglich gar glücklich war?
    »Meine Dozenten wollten mich freistellen, aber ich hatte das Gefühl, daß ich vor Kummer wahnsinnig würde, wenn ich mich nicht mit irgend etwas beschäftige«, sagte er, nachdem er einen Stuhl an mein Bett gezogen hatte. »Ich hoffe, du hältst mich deshalb nicht für zu hart oder gleichgültig. Aber ich kann einfach nicht nur so herumsitzen.«
    »Du hast das Richtige getan, Drake. Ich bin sicher, genau das hätten sich Mammi und Daddy gewünscht.«
    Er lächelte mir dankbar zu und war froh über mein Verständnis. Doch ich glaubte tatsächlich, daß das, was ich sagte, der Wahrheit entsprach. Niemand verstand es so gut, mit Schicksalsschlägen umzugehen wie Mammi. Daddy hatte immer behauptet, sie sei aus Stahl. Eine echte Casteel, hatte er gescherzt. Was würde ich nicht darum geben, noch einmal seine Scherze zu hören!
    »Ich werde fürs erste nicht nach Winnerrow zurückkehren«, fuhr Drake fort. »Es wäre zu schmerzlich für mich, jetzt in das große, leere Haus zu kommen, und außerdem hat Tony Tatterton mir ein phantastisches Angebot für die Sommermonate gemacht.«
    »Was für ein Angebot?« fragte ich. Es war erstaunlich, wie rasch Tony Tatterton unser Leben in die Hand genommen hatte.
    »Er läßt mich als Juniorchef in seinem Büro arbeiten, kannst du dir das vorstellen? Ich habe noch nicht einmal das College abgeschlossen, und er will mir trotzdem schon jetzt Verantwortung übertragen! Er hat hier in Boston sogar bereits eine Wohnung für mich gefunden. Ist das nicht wunderbar?«
    »O ja, Drake. Ich freue mich so für dich.« Ich wandte mich ab. Ich wußte, daß ich ungerecht gegenüber Drake war, aber Fröhlichkeit schien mir in diesem Moment unangebracht. Die gesamte Welt sollte um meine Eltern und um mich trauern, dachte ich. Der dunkle Schleier, der sich über alles gebreitet hatte, hielt mich noch immer gefangen. Wie blau der Himmel auch in Wirklichkeit sein mochte, mir erschien er grau.
    »Du klingst nicht sehr glücklich. Ist es wegen der Medikamente, die du nimmst?«
    Wir blickten uns für einen Augenblick an, und ich sah wieder die Trauer in seinem Gesicht. »Nein«, fuhr ich fort, »ich habe nur viel über Tony nachgedacht. Ich kann nicht anders als mich fragen, warum er so plötzlich in unser Leben getreten ist und sich so selbstlos um uns kümmert. Die ganze Zeit über hat unsere Familie ihn so behandelt, als wäre er Luft. Man könnte annehmen, daß er uns eigentlich hassen müßte. Verwundert dich das nicht auch?«
    »Was ist daran merkwürdig? Eine

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