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Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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    Ich mußte Abschied von ihnen nehmen.

 
    7. K APITEL
     
    D IE Z EIT DER D UNKELHEIT
     
     
     
    Tony hielt sein Versprechen. Jedesmal, wenn er mich besuchte, brachte er mir eine neue Überraschung mit. Er kam zweimal am Tag, einmal am späten Vormittag und einmal am frühen Abend. Zu Anfang brachten er mir Schachteln mit Konfekt oder Blumen. Später ließ er einfach jeden Tag einen Strauß frischer Rosen bringen. Als er mich das siebentemal besuchte, schenkte er mir eine Flasche Jasminparfum.
    »Ich hoffe, du magst es«, sagte er, »es war das Lieblingsparfüm deiner Urgroßmutter.«
    »Ich erinnere mich, daß meine Mutter diesen Duft manchmal benutzte. Ja, es gefällt mir sehr, danke, Tony.«
    Ich sprühte gleich ein wenig Parfüm auf meine Haut, und als Tony den Duft einsog, trat für einen Augenblick ein verklärter, abwesender Ausdruck in seine Augen. Ich beobachtete, wie er völlig in seiner Erinnerung versank und nur allmählich in die Realität zurückkehrte. Was für ein komplizierter Mensch er war, und wie sehr er meiner Mutter glich! Mit welcher Leichtigkeit er in verschiedene Rollen schlüpfte! Ein Wort, ein Duft oder eine Farbe reichten aus, und schon befand er sich in vergangenen Zeiten und wurde in einen Strudel von Erinnerungen hineingerissen. Doch einen Augenblick später tauchte er wieder daraus hervor und war wieder hellwach und ganz konzentriert.
    Vielleicht waren wir uns gar nicht so unähnlich. Wie oft hatten mich mein Vater oder meine Mutter in melancholischer Stimmung angetroffen. Manchmal machten mich die einfachsten Dinge traurig: ein einsamer Vogel, der Zweig einer Weide, die Hupe des Autobusses, die in der Ferne ertönte, oder sogar das fröhliche Lachen kleiner Kinder. Ganz plötzlich versank ich dann in meinen trübsinnigen Gedanken, doch ebenso rasch konnte ich mich auch wieder von den Schatten befreien und zurück ins Sonnenlicht treten, ohne auch nur zu wissen, warum ich eben noch so traurig gewesen war. Einmal hatte mich meine Mutter mit tränenüberströmtem Gesicht vorgefunden. Ich saß im Wohnzimmer und starrte nach draußen auf die Bäume und den blauen Himmel.
    »Warum weinst du, Annie?« hatte sie gefragt. Ich hatte sie zunächst nur verwirrt angesehen; dann waren meine Finger über meine Wangen geglitten und ich hatte die warmen Tropfen gespürt. Ich war mir gar nicht bewußt gewesen, daß ich weinte.
    Als Tony das nächstemal ins Krankenhaus kam, wurde er von seinem Chauffeur, einem Mann namens Miles, begleitet, der mit Paketen beladen war. Tony wies ihn an, sie auf dem Tisch neben meinem Bett abzustellen. Dann öffnete er eine Schachtel nach der anderen. Alle enthielten seidene Nachthemden. Aus der letzten zog er schließlich ein karminrotes Seidenkleid.
    »Diese Farbe stand deiner Mutter so gut«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Ich erinnere mich noch an das wunderbare karminrote Kleid mit der Jacke, das ich ihr gekauft habe, als sie in die Mädchenschule von Winterhaven eintrat.«
    »Meine Mutter war dort nicht sehr glücklich«, warf ich ein, um seine schwärmerischen Erinnerungen zu unterbrechen. »Sie hat mir erzählt, daß die reichen Mädchen dort nicht so herzlich und freundlich waren, wie sie es von den armen Leuten in den Willies gewohnt war.«
    »Ja, ja, sie mußte sich ihnen gegenüber behaupten, aber dadurch hat sich ihr Charakter gefestigt! Wie stark sie später war! Winterhaven ist eine sehr anspruchsvolle Schule. Die Schüler dort müssen wirklich arbeiten und werden von intelligenten Lehrern unterrichtet. Ich habe damals zu deiner Mutter gesagt, wenn sie es schaffen könnte, in Winterhaven zu den Besten zu zählen, würde sie rasch all die Leute kennenlernen, die in der Bostoner Gesellschaft den Ton angeben. Aber du hast recht, sie mochte die Mädchen dort nicht. Nun«, fuhr er fort und wechselte hastig das Thema, »zumindest wirst du die bestgekleidete Patientin im ganzen Krankenhaus sein.«
    Ich wünschte mir, daß er mehr von den Jahren erzählen würde, die meine Mutter in Farthinggale Manor verbracht hatte, aber ich hielt es für besser, abzuwarten, bis ich selbst dort sein würde.
    Als eine der »Pink-Damen« – das waren freundliche ältere Damen mit pinkfarbenen Schürzen, die unentgeltlich und aus reiner Nächstenliebe im Krankenhaus arbeiteten – am nächsten Tag die Post brachte, hatte sie einen kleinen Stapel Karten mit Genesungswünschen für mich dabei. Sie kamen von Freunden aus Winnerrow, von meinen Lehrern, von Mrs. Avery

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