Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
und Roland Star, von Drake und Luke. Ich bat Mrs. Broadfield, sie alle an der Wand meines Krankenzimmers gegenüber meinem Bett aufzuhängen. Sie schien nicht sehr glücklich darüber, doch sie tat es.
Einen Tag nachdem ich Lukes Karte erhalten hatte, kam er mit Tante Fanny zu Besuch. Da ich Privatpatientin war, konnte ich jederzeit Besuch empfangen. Meine Zimmertür stand offen, und so hörte ich Tante Fanny schon von weitem auf dem Krankenhausgang. Vermutlich aber hätte ich sie auch gehört, wenn die Tür geschlossen gewesen wäre. Luke und sie blieben zunächst beim Schwesternzimmer stehen.
»Wir wollen meine Nichte besuchen«, bellte Tante Fanny, »Annie Stonewall.«
Die Antwort der Schwester konnte ich nicht verstehen, denn sie sprach sehr leise, doch Tante Fanny schnaubte nur ungeduldig.
»Sagen Sie, warum liegen die Privatzimmer so weit vom Aufzug entfernt? Bei den Preisen könnte man doch ein paar Annehmlichkeiten erwarten! Los, hier entlang, Luke.«
»Meine Tante kommt«, warnte ich Mrs. Broadfield, die wie eine steinerne Statue an der Tür saß und die letzte Ausgabe der Zeitschrift People las. Tony hatte am Morgen Dutzende der neuesten Illustrierten heraufgeschickt, und Mrs. Broadfield hatte sie fein säuberlich auf dem Fensterbrett aufgestapelt. Mein Zimmer sah aus wie eine Bibliothek. Immer wieder kamen Krankenschwestern vorbei und fragten, ob sie in der Pause die eine oder andere Zeitschrift ausleihen könnten. Mrs. Broadfield erlaubte es ihnen, doch sie notierte alle Namen und die Titel der ausgeliehenen Zeitschriften auf einem Blatt Papier.
»Vergessen Sie nicht, wem Sie sie ausgeliehen haben«, wies sie mich an. Als Tante Fannys Schritte sich näherten, begann Mrs. Broadfield unruhig auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen. Dem Geklapper auf dem Gang konnte ich entnehmen, daß Tante Fanny hohe Absätze trug und sich für diesen Besuch herausgeputzt hatte. Dann stand sie in der Tür. Sie trug einen breitkrempigen Panama-Hut mit einem schwarzen Tüllband, eine kurzärmlige schwarze Wildlederjacke, einen hellbraunen Lederrock und eine Hemdbluse mit schmalen Streifen. Natürlich zeichnete der Rock überdeutlich die Rundungen ihrer Hüften nach.
Auch wenn mir vieles an ihr nicht zusagte, mußte ich doch zugeben, daß Tante Fanny eine sehr attraktive Frau war, besonders dann, wenn sie sich modisch kleidete. Kein Wunder, daß die jungen Männer sie umschwärmten wie Motten das Licht.
Hinter ihr stand Luke. Er trug ein einfaches, kurzärmliges blaues Baumwollhemd und Jeans, aber ich sah, daß er sich mit seinem Haar besondere Mühe gegeben hatte. Er war so stolz auf sein volles dunkles Haar. Andere Jungen, die ihn darum beneideten, neckten ihn oft, weil er peinlich darauf achtete, daß sich keine Strähne verselbständigte.
Als Tante Fanny den Raum betrat, erhob sich Mrs. Broadfield und schritt zur Tür. Offensichtlich wollte sie jeden Zusammenstoß vermeiden.
»Annie, mein Liebes.« Tante Fanny stürmte auf mein Bett zu und schlang ihre Arme um mich.
Mrs. Broadfield lief zur Tür.
»Sie brauchen nicht so zu hetzen, meine Liebe«, sagte Tante Fanny. Ich hätte fast laut aufgelacht, als sie sich wieder zu mir umwandte, denn sie verdrehte die Augen und verzog den Mund, als hätte sie gerade in eine Zitrone gebissen.
Luke trat an die andere Seite meines Bettes; er wirkte verschüchtert und schien sich unwohl zu fühlen.
»Wie geht es dir, Annie?«
»Etwas besser, Luke. Ich kann wieder sitzen, ohne daß mir schwindlig wird, und ich kann auch wieder feste Nahrung zu mir nehmen.«
»Is ja wunderbar, mein Liebes! Hab doch gewußt, daß sie dich schnell aufpäppeln würden, wenn sie dich schon an so ‘nen verrückten Ort bringen.« Tante Fanny blickte zu der Tür, die sich gerade hinter Mrs. Broadfield geschlossen hatte.
»Und behandelt dich diese Krankenschwester mit dem Trauerkloßgesicht auch gut?«
»O ja, Tante Fanny. Sie ist sehr tüchtig«, versicherte ich ihr.
»Scheint so. Brauchst wohl so jemanden, der dir die Medizin abzählt. Aber wenn ich mit so einer zu tun hätte, würd ich vor Schreck wohl lieber im Koma bleiben.«
»Alle in der Schule lassen dich grüßen, Annie, und sie übermitteln dir ihr Beileid«, unterbrach sie Luke hastig.
»Richte ihnen meinen Dank aus, Luke. Und danke ihnen auch für die Karten. Ich habe mich so darüber gefreut.« Ich deutete auf die Genesungswünsche, die an der Wand hingen.
»Ich habe gehofft, daß du dich darüber freuen würdest«, strahlte
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