Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
ich.
    »Du hast das feierliche Wort eines Tatterton, der aus einer Linie von ehrbaren Männern stammt, auf deren Wort sich schon viele Menschen verlassen haben«, versprach er, und sein Gesicht war aufrichtig und ernst. Dann wandte er sich an die Krankenträger, die in der Nähe warteten. »Wir sind fertig. Viel Glück, mein Liebes.« Er tätschelte meine Hand, als sie die Bahre in Bewegung setzten.
    Sie schoben mich den Gang hinab. Ich hob den Kopf, soweit ich konnte, um Tony zu sehen, der hinter uns zurückblieb. Ich sah den liebevollen und besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht. Was für ein wunderbarer Mensch er war! Ich konnte es kaum erwarten, mehr über ihn zu erfahren. Meine Eltern waren mit allen Informationen, die ihn betrafen, so sparsam gewesen, als ob das wenige, das ich über ihn erfahren sollte, auf mein ganzes Leben verteilt werden müßte.
    Natürlich wußte ich, daß er ein einzigartiges Spielzeugunternehmen aufgebaut hatte. Ein Imperium, wie mein Vater sagte, das Millionen von Dollar wert war und sich auf dem nationalen wie auf dem internationalen Markt einen Namen gemacht hatte. »Die Tattertons sind die Könige der Spielzeugbranche«, hatte Daddy zu mir gesagt, als er ausnahmsweise einmal darüber sprach.
    »Tonys Spielzeug ist nur für die Reichen«, hatte meine Mutter eingewandt. Ich wußte, wie stolz sie darauf war, daß unser Spielzeug von allen Schichten gekauft wurde. »Tatterton-Spielzeug ist für reiche Leute, die es nicht nötig haben, erwachsen zu werden. Sie müssen nicht versuchen, eine Kindheit zu vergessen, in der sie nichts unter dem Weihnachtsbaum fanden und keine Geburtstagsfeste kannten. Leute wie Tony!« hatte sie hinzugefügt, und ihre Augen funkelten vor Ärger.
    Wieder einmal fragte ich mich, warum sie eine so heftige Abneigung ihm gegenüber empfunden hatte. Denn wenn mir auch seine gebieterische Autorität nicht entging, so spürte ich doch auch sein sanftes Wesen und seine Verwundbarkeit. Seine Tränen um meine Eltern und mich waren aufrichtig gewesen.
    Den Rest des Tages über war ich ganz von den Ärzten in Beschlag genommen, die mich allen möglichen Tests unterzogen.
    Wie Doktor Malisoff vorausgesagt hatte, spürte ich während der Untersuchungen keinerlei Schmerz in meinen Beinen. Ich konnte zwar meinen Oberkörper bewegen, doch meine Beine baumelten leblos wie die einer Stoffpuppe herab, wenn sie mich vorsichtig auf Untersuchungstische und Betten hoben. Manchmal hatte ich das Gefühl, als hätte ich bis zur Taille im eisigen Wasser gestanden, und mein Körper wäre nun von den Füßen bis zu den Hüften betäubt. Meine Reflexe sprachen nicht an, und ich sah angsterfüllt zu, wie Dr. Malisoffs Assistent und der Neurologe Dr. Friedmann eine Nadel in meine Haut stachen. Ich spürte zwar nichts, doch der Anblick der Nadel, die sich in meine Haut bohrte, ließ mich zusammenzucken.
    »Annie«, sagte Dr. Malisoff, »es ist so, als hätten wir bei Ihnen eine Spinalanästhesie gemacht, damit Sie bei einer Operation keinen Schmerz spüren. Wir glauben, daß die Entzündung, die durch das Trauma um ihr Rückgrat herum hervorgerufen wurde, die Ursache für Ihre jetzige Lähmung ist. Wir würden gerne noch einige Tests machen, um diesen Verdacht zu bestätigen.«
    Ich versuchte, eine kooperative Patientin zu sein. In meinem augenblicklichen Zustand war ich so abhängig von anderen! Ich mußte von einem Ort an den anderen gehoben und auf fahrbaren Betten herumgefahren werden. Es fiel mir sehr schwer, mich aufzusetzen. Die Ärzte versicherten mir, daß ich bald wieder dazu in der Lage sein würde, aber ich hatte das Gefühl, als wäre der untere Teil meines Körpers bei dem Unfall abgestorben.
    Dieses Gefühl der völligen Hilflosigkeit verunsicherte mich zutiefst. Wir nehmen so vieles als selbstverständlich hin – laufen, sitzen, aufstehen und hingehen zu können, wohin wir wollen. Meine Verletzung steigerte den Schmerz, der mein Herz zusammenzog, als würde man Salz auf eine offene Wunde streuen. Ich mußte nicht nur mit dem grausamen Verlust meiner Eltern, sondern auch noch mit dieser körperlichen Behinderung fertigwerden. Wieviel kann ein Mensch ertragen? Ich schrie innerlich auf. Warum mußte ich solche Qualen erdulden? Ich hatte alles, an dem ich hing, verloren.
    Meine neue Umgebung weckte in mir ein beinahe ehrfürchtiges Staunen. Das Krankenhaus erschien mir riesengroß, die Gänge waren doppelt so breit wie die des Krankenhauses von Winnerrow. Überall eilten

Weitere Kostenlose Bücher