Castello Christo
abgesprochen zu haben. Die Reporterin wollte ihre Kontakte im Vatikan nutzen und sehen, was sie dort an hilfreichen Informationen sammeln konnte.
Ihm gegenüber ließ Francesco Tissone, ganz in sich zusammengesunken, den rechten Arm auf der Tischplatte neben einem Stapel Akten liegend, immer wieder einen Kugelschreiber zwischen Daumen und Zeigefinger hindurchrutschen, bis die Spitze mit einem Klick auf der Tischplatte aufschlug. Varotto sah seinen Kollegen verwundert an. Normalerweise saß Tissone bei Besprechungen aufmerksam und kerzengerade am Tisch, den er vorher auf seine Sauberkeit überprüft hatte. Auch Barberi beobachtete Tissone und das mit einem Gesichtsausdruck, der vermuten ließ, dass es nur noch Sekunden dauern konnte, bis eine genervte Bemerkung von ihm kam.
»Warum fangen wir nicht an?«, fragte Varotto.
Der Commissario Capo schüttelte den Kopf. »Du wirst dich schon noch einen Moment gedulden müssen, Daniele. Er wird sicher in wenigen Minuten hier sein.«
Varotto gab noch nicht auf. »Aber wir könnten doch wenigstens schon mal die Dinge besprechen, die der Schwarzrock nicht unbedingt wissen muss.«
»Daniele, er ist kein Priester
,
das habe ich dir bereits gestern erklärt. Und er muss über
alles
Bescheid wissen. Das ist ein Befehl des Polizeipräsidenten, und ich erwarte, dass ihr ihn befolgt. Ihr wisst, dass ich den Druck, den ich von oben bekomme, ohne Zögern an euch weitergebe.«
Wieder herrschte Stille, nur unterbrochen vom gleichmäßigen Klicken von Tissones Kugelschreiber.
Zwei Minuten später öffnete sich endlich die Tür, und ein Uniformierter streckte den Kopf durch den Spalt.
»Entschuldigen Sie«, sagte er zögernd, »hier ist ein Signore Matthias für Sie.«
Barberi erhob sich mit Schwung von seinem Platz und ging auf die Tür zu. »Ja, bitte. Wir warten schon auf ihn.«
Auch Varotto war aufgestanden und musterte überrascht den Mann, der in diesem Augenblick den Raum betrat. Er hatte mit einem hageren, vergeistigten älteren Herrn gerechnet, doch der Mann, gekleidet in Jeans, T-Shirt und Sakko, war höchstens Ende vierzig, also etwa in seinem Alter, und sah aus wie ein athletischer Holzfäller. Er selbst war mit seinen 1 Meter 78 schon nicht klein, aber dieser Matthias war noch gute zehn Zentimeter größer als er und hatte hellblonde schulterlange Haare und strahlend blaue Augen.
»
Benvenuto,
Signore Matthias«, begrüßte Barberi ihn nach Varottos Geschmack ein wenig zu freundlich. »Ich bin Commissario Capo Pasquale Barberi. Wir sind Ihnen äußerst dankbar, dass Sie uns helfen wollen.«
Dann stellte Barberi ihm seine beiden Mitarbeiter vor und forderte ihn auf, an dem großen Tisch Platz zu nehmen.
»Lassen Sie uns keine Zeit verlieren«, begann Barberi. »Nach unserer Besprechung wird die ›Sonderkommission Judas‹ sofort mit der Arbeit beginnen.«
Matthias hob kurz die Brauen, sagte aber nichts dazu.
»Commissario Varotto wird sie leiten«, fuhr Barberi fort. »Der Innendienst untersteht Commissario Tissone. Sie, Signore Matthias, werden sich mit Commissario Varotto zusammentun. Stimmt es, dass Sie uns rund um die Uhr zur Verfügung stehen?... Signore Matthias?«
Matthias zuckte zusammen. Er war mit seinen Gedanken abgeschweift. Die Privataudienz beim Papst ging ihm nicht aus dem Kopf, die Fragen, die der Papst ihm gestellt hatte ... Er musste sich davon befreien, sich ganz auf die Aufgabe konzentrieren, die vor ihm lag. Er nickte wortlos.
»Sehr gut. Commissario Tissone, bitte klären Sie Signore Matthias nun über den Stand der Ermittlungen auf.«
Varottos Kollege legte den Kugelschreiber neben den Stapel Akten und setzte sich aufrecht hin.
»Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, wie wir die Mordopfer vorgefunden haben. Der Obduktionsbefund der Toten der fünften Station liegt uns inzwischen vor. Dem Jesusdarsteller auf dem Boden wurde mit einer Spritze eine letale Dosis aus Tubocurarinchlorid und Kaliumchlorid injiziert, wie man sie in den USA bei Hinrichtungen verwendet. Bei dem Libyer hat man hingegen viele Einstichstellen gefunden, unter anderem an den Armen, den Beinen, am Hals und am Rücken. Allem Anschein nach hat man ihm eine chemische Substanz in die Venen gespritzt, die, nachdem sie sich im ganzen Körper bis in die letzten Blutgefäße verteilt hat, mit dem Blut wie ein Zweikomponentenkleber ausgehärtet ist und den Toten quasi in eine Statue verwandelt hat.«
»Hat man ihn mit dem gleichen Gift getötet?«, wollte Barberi
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