Castello Christo
verstehen, warum Sie ihn nicht einfach weiterermitteln lassen.«
Barberi schnaufte. »Du verstehst es offensichtlich wirklich nicht. Ich habe den Befehl, ihn vom Dienst zu suspendieren, von ganz oben bekommen. Da ist kein Raum für Diskussionen.«
»Aber . . .«
»Nein, Francesco, Schluss damit. Kümmere dich lieber um diese verdammte Mordserie, bevor noch ein weiterer Journalist auf die Idee kommt, über dich oder mich herzuziehen.«
Rom. Via Michele Pironti
45
Alicia und Varotto hatten Matthias versprochen, dass sie ihm keine weiteren Fragen über seine Vergangenheit stellen würden, und sie wollten sich gerade wieder mit den Akten beschäftigen, als das Telefon klingelte. Varotto warf den beiden einen sorgenvollen Blick zu und hob ab. Zu seiner Erleichterung war der Anrufer kein Kollege, der die Nachricht über einen weiteren Mord durchgeben wollte. Varotto streckte dem Deutschen den Hörer entgegen.
»Für Sie.«
Als Matthias sich meldete, sagte die heiser klingende Stimme: »Hören Sie mir jetzt gut zu, Herr von Keipen, und lassen Sie sich auf keinen Fall etwas anmerken. Tun Sie so, als würden Sie mit Kardinal Voigt sprechen. Wenn Varotto etwas bemerkt, werden wir auf der Stelle zehn der Männer töten. Sie wissen, von welchen Männern ich spreche, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Matthias einsilbig. Sein Herzschlag schien sich innerhalb von Sekunden zu verdoppeln. Gedanken rasten durch seinen Kopf. Das ist einer der Mörder. Er hat mich von Keipen genannt. Woher weiß er meinen Namen? Habe ich die Stimme schon einmal irgendwo gehört?
»Dann passen Sie jetzt gut auf«, sagte der Mann. »Fahren Sie zur Villa Borghese. Alleine. Stellen Sie das Auto in der Via Pinciana ab. Vom Eingang aus gehen Sie zweihundertdreißig Schritte geradeaus bis zum Stumpf eines abgesägten Baums, wo Sie sich nach links wenden. Nur noch hundert Schritte in diese Richtung, dann werden Sie den Gekreuzigten sehen. Er hat einen Zettel in der Hand, der nur für Sie bestimmt ist. Nehmen Sie ihn an sich, er istwichtig für Sie. Haben Sie verstanden? Dann sagen Sie jetzt: Ich komme sofort, Eure Eminenz.«
Stille. Nur das Atmen des Unbekannten war zu hören.
»Ich komme sofort, Eure Eminenz«, sagte Matthias und wunderte sich, dass seine Stimme halbwegs normal geklungen hatte.
»Wenn Sie den Zettel an sich genommen haben, können Sie die Polizei benachrichtigen. Aber erst dann. Halten Sie sich an die Vorgaben, in Ihrem eigenen Interesse. Auf dem Zettel finden Sie Notizen Ihres Vaters, die der Polizei nicht in die Hände fallen sollten. Ihrer Mutter zuliebe.«
Matthias hatte das Gefühl, eine kalte Faust schließe sich um sein Herz. Notizen seines Vaters? Seiner Mutter zuliebe? Was konnte das bedeuten? Sein Vater war tot, daran bestand kein Zweifel. Bischof Corsetti selbst war in Südafrika gewesen, nachdem Friedrich von Keipen dort in einer psychiatrischen Klinik gestorben war. Corsetti hatte den Leichnam eindeutig identifiziert, das hatte er Matthias mitteilen lassen. Was also hatte das zu bedeuten: seiner Mutter zuliebe? Lebte sie noch? Steckten etwa ehemalige Mitglieder der Simonischen Bruderschaft hinter den Morden? Aber nein, das war unmöglich. Die Opfer der Kreuzwegmorde waren vor gut zwanzig Jahren entführt worden. Damals war man in den Reihen der Simoner fest davon überzeugt gewesen, bald die Herrschaft über die katholische Kirche zu erlangen. Wer sonst aber konnte so viel über ihn wissen?
»Von Keipen, ich lege jetzt auf. Fahren Sie sofort los. Alleine. In Ihrem ureigenen Interesse und auch im Interesse der zehn jungen Männer, die sonst noch heute sterben werden.«
Matthias hielt den Hörer noch einige Sekunden ans Ohr gepresst, um Zeit zu gewinnen. Dann legte er auf.
»Wer war das?«
Alicias Frage half ihm seltsamerweise dabei, eine Entscheidung zu treffen.
»Kardinal Voigt«, log er, der Anweisung folgend. »Wo ist der Commissario?«
Alicia zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht auf der Toilette?«
Matthias griff nach seinem Sakko, das über der Lehne seines Sessels lag. »Sagen Sie ihm bitte, ich melde mich vom Vatikan aus. Ich muss sofort los. Könnte ich Ihren Wagen haben?«
Ohne Zögern zog die Journalistin den Schlüssel aus ihrer Handtasche und warf ihn Matthias zu, der bereits Sekunden später die Treppen hinunterlief.
Rom. Via Pinciana
46
Er fand einen Parkplatz in einer Seitenstraße der Via Pinciana. Bis zu dem Eingang in den Park der Villa Borghese waren es nur wenige
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