Castello Christo
Tür hinaus. Barberi und Varotto sprangen auf und rannten aus dem Büro, gefolgt von Tissone, Alicia und Matthias, der noch immer die Fotografie in der Hand hielt.
Im Einsatzraum der Sonderkommission standen alle um einen Polizisten herum, der einen Telefonhörer am Ohr hatte. Als Barberi den Raum betrat, winkte ihn einer mit hektischen Bewegungen heran, während seine Kollegen Platz machten. Sekunden später standen auch Varotto, Matthias und Alicia hinter dem Mann, der nach einem kurzen Blick auf seinen Chef in den Hörer sagte: »Commissario Capo Barberi hört jetzt mit.«
»Ah, guten Morgen, Barberi.«
Die Stimme war weder technisch verfremdet, noch schien der Anrufer bemüht, sie zu verstellen, was aber auch nicht nötig war, denn keiner der Anwesenden kannte sie. Hektisch bedeutete Varotto einem seiner Männer, das Aufnahmegerät einzuschalten.
»Ich hoffe, auch Signore Matthias und
Signore
Varotto hören zu?« Ein kurzes heiseres Kichern, dann: »Ich habe einen Hinweis zu dem schmerzlich Vermissten.«
Alicia schlug sich die Hand vor den Mund und stöhnte leise auf, aber der Anrufer meinte offensichtlich nicht den Papst, denn er sagte: »Haben Sie sich heute schon im Kolosseum umgesehen? Das sollten Sie tun. Sehr interessant.Sie sollten sich jedoch beeilen. Ein toter Jesus ist für Roms Image nicht gerade förderlich.« Wieder das heisere Kichern. »Wenn Sie schlau sind, haben Sie auch noch eine Reise vor sich. Aber bis Mittag ist es nicht mehr lange.«
Varotto riss dem Polizisten den Hörer aus der Hand und rief: »Hören Sie, lassen Sie uns . . .«
Ein Klicken ließ ihn verstummen. Der Anrufer hatte aufgelegt.
»
Merda!
« Varotto knallte den Hörer auf den Tisch.
»Nummer neun«, stellte Matthias fest und wunderte sich selbst darüber, dass seine Stimme noch relativ fest klang. »Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz.«
Barberi sprang auf. »Wenn diese Schweine wieder die Presse informiert haben ... Nicht auszudenken! Worauf wartest du noch, Varotto?«, herrschte er den Commissario an, bevor er sich an die übrigen Männer wandte: »Fünf Einsatzwagen sofort zum Kolosseum. Zwei von euch bleiben hier und fordern bei den umliegenden Dienststellen Verstärkung an. Wer zuerst dort ist, lässt sofort das Gelände räumen.«
Vor dem Eingang waretete schon ein junger
agente
in einem Dienstwagen mit laufendem Motor, doch Varotto lief an ihm vorbei zu seinem BMW. Noch bevor Matthias die Beifahrertür richtig geschlossen hatte, hatte er das Blaulicht eingeschaltet und fuhr mit quietschenden Reifen los.
»Verdammt! Langsam machen diese Irren mich richtig wütend! Und unsere schöne Theorie mit Gattos Sohn wird auch immer unlogischer.«
Matthias sah den Commissario von der Seite an. »Warum?«
»Na, wenn Gatto junior am 24. Oktober gestorben ist, was macht es dann für einen Sinn, alle restlichen Männer schon am Zwanzigsten umzubringen?«
Matthias’ Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, was der Commissario nicht sah, da er gerade zu einem riskanten Überholmanöver ansetzte. Als er eingestiegen war, hatte Matthias das Foto des seltsamen Gemäldes, das er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, auf seinen Oberschenkel gelegt. Nun starrte er es an. Dabei spulte er Varottos Worte noch einmal in Gedanken ab.
Na, wenn Gatto junior am 24. Oktober gestorben ist.
Heute aber war erst der Zwanzigste. Der 20.10.... A. Longa, 20 / 10 / 12 / 00 ...
Sein Puls begann zu rasen. Endlich war der Damm gebrochen, der die Erkenntnis bisher blockiert hatte. Deutlich spürte Matthias das Pochen seines Herzschlags in der Halsschlagader. Im gleichen Moment, in dem er die Zahlen verstand, konnte er die ganze Signatur entschlüsseln, die eigentlich keine Signatur war, sondern ... es war unbegreiflich, dass er das nicht sofort erkannt hatte.
»Daniele«, stieß er aus, »ich hab’s! Mein Gott, dass ich das übersehen konnte!«
Obwohl er den BMW mit halsbrecherischer Geschwindigkeit zwischen den Autos hindurchlenkte, warf Varotto ihm einen fragenden Blick zu. »Was? Was hast du übersehen?«
Matthias wedelte mit dem Foto. »Die Signatur. Diese Zahlen.«
»Ja und? Was ist damit?« Varotto sah wieder nach vorne auf den Verkehr.
»20 / 10! Das ist ein Datum, und zwar das heutige. Und 12 / 00 kann nur eine Uhrzeit sein. Verstehst du?«
Nun sah Varotto doch wieder zu Matthias hinüber. »Was heißt das, ›Datum‹?
Welches
Datum?«
Wieder wedelte Matthias
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