Castello Christo
Stunden?«
»Und du?«, gab Alicia keck zurück und trat zu Matthias. Der sprang sofort auf.
»Bitte, setz dich doch.«
Lächelnd nickte sie ihm zu und ließ sich auf dem Stuhl nieder.
»Also, was gibt es Neues?«, fragte sie, während sie sich eine Strähne aus dem Gesicht strich.
Nach einem kurzen Blick zu Barberi, den dieser mit einem Nicken beantwortete, klärte Varotto sie über den Stand der Dinge auf. Er sah ihr dabei die ganze Zeit in die Augen. Matthias hatte sich neben Tissone an die Wand gelehnt und sah sie ebenfalls unentwegt an.
Während Commissario Daniele Varotto im Büro seines Chefs Alicia über die neuen Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Kreuzwegmorden informierte, berichteten die meisten Nachrichtenkanäle – mittlerweile nicht mehr nur in Italien, sondern auch in vielen anderen LändernEuropas und in den USA – über den Fall. Fotos flimmerten über die Bildschirme, auf denen der Tatort der vergangenen Nacht zu sehen war. Gnädigerweise hatten die meisten Sender die Leichen mit schwarzen Balken verdeckt. Es war auch von dem sensationellen Inhalt eines alten Schriftstücks die Rede und von der katholischen Kirche, die zu keiner Stellungnahme bereit war. Die Moderatorin eines französischen Senders stellte als Erste eine gewagte These in den Raum: Würde man auch nur ansatzweise in Betracht ziehen, Jesus könne wiedergeboren worden sein, dann läge darin für die katholische Kirche die größtmögliche Katastrophe. Denn damit würden sich ihre Lehren als falsch erweisen, und das müsste ihr sicheres Ende zur Folge haben. Der forsche Auslandskorrespondent eines bekannten amerikanischen Kanals nahm den Faden kurze Zeit später in einer Nachrichtensendung auf und spann ihn dahingehend weiter, dass er die Frage stellte, wer ein Motiv dafür haben könnte, die potenziellen Gottessöhne zu töten.
Als der Kardinalstaatssekretär im Vatikan nur Minuten später die Sequenz vorgespielt bekam, griff er zum Telefon und rief den Leiter der »Sonderkommission Judas« an.
Barberi hörte dem hohen Geistlichen am anderen Ende zu, ohne ihn zu unterbrechen. Ab und zu nickte er. Als er den Hörer schließlich aus der Hand gelegt hatte, atmete er tief durch.
»Es ist so weit. Der Vatikan gibt bekannt, dass der Heilige Vater spurlos verschwunden ist und man eine Entführung befürchtet. Seine Eminenz, Kardinal di Palmera, hat uns soeben offiziell um Unterstützung gebeten. Die Schweizergarde sowie der vatikaneigene
Corpo di Vigilanza
sind schon mit den Ermittlungen beschäftigt. DerenChefs werden uns mit allen nötigen Informationen versorgen.«
Alicia war blass geworden. »Was sagen Sie da? Man hat noch keine Großfahndung eingeleitet?«
Varotto beugte sich ein Stück zu ihr herüber. »Der Vatikan hat bis eben darauf bestanden, die Sache geheim zu halten. Außer uns vieren wusste es nur der Polizeipräsident.«
»Aber ... wie . . .«, stotterte sie.
»So wie es aussieht, hat dieser Kardinal Voigt etwas damit zu tun; wahrscheinlich hatte er auch schon die Finger im Spiel, als das Lügenmärchen über mich in der Zeitung stand.«
»Nein, damit hatte er absolut nichts zu tun«, entgegnete Alicia und starrte dabei an Varotto vorbei ins Leere.
»Weißt du etwa Genaueres?«
Sie fühlte sich absolut nicht in der Lage, ihm in diesem Moment schonend beizubringen, was sie von ihrem Chefredakteur erfahren hatte, und sagte deshalb nur: »Es war eine interne Angelegenheit unserer Zeitung. Mit den Kreuzwegmorden hat es jedenfalls nichts zu tun. Bitte, lass es mich dir später erklären, ja?«
Es klang flehend, so dass Varotto ergeben die Hände hob.
»Schon gut. Aber irgendwann möchte ich es gern erfahren.«
»Was ist nun mit dem Papst? Wie kann jemand den Papst aus dem Vatikan entführen? Vielleicht wollte er einfach nur fliehen vor all den schrecklichen Dingen. Vielleicht ist er in Castel Gandolfo und hat niemanden informiert, weil er seine Ruhe haben wollte.« Man merkte ihrer Stimme an, dass sie selbst nicht glaubte, was sie gerade gesagt hatte.
Ein heißer Schauer durchfuhr Matthias’ Körper. Es war zum Verrücktwerden. Seit Stunden schon hatte er das deutliche Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben, etwas, das vielleicht entscheidend sein konnte. Instinktiv nahm er das Foto des seltsamen Gemäldes vom Tisch. Im gleichen Moment wurde die Tür aufgerissen und ein Polizist streckte den Kopf in den Raum.
»Chef, schnell, kommen Sie!«, rief er hektisch und war auch schon wieder zur
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