Castello Christo
hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.‹ Der Übersetzer notiert hier, dass dieser Text identisch ist mit Jesaja,Kapitel 11, das von Jesu Geburt handelt. Weiter heißt es: ›Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.‹ So, wartet mal ... hier. Im nächsten Kapitel geht es um das Zeichen für die Geburt Christi, ein Licht. Es könnte der Stern von Bethlehem gemeint sein. Der mittlere Teil mit der Zeichnung ist anscheinend später eingefügt worden, weil die Schrift eine andere ist: ›Wahrlich tausend Jahre wird sein Licht erstrahlen und für tausend Jahre wieder und wieder, wenn Brüder uneins, immerdar.‹ So weit die Übersetzung des Textes. Hier steht, dass keiner der Wissenschaftler, die die Zeichnung jetzt in der Hand hatten, so etwas schon einmal gesehen hat. Zu dem letzten Textstück ist keine entsprechende Bibelstelle bekannt, aber der Übersetzer vermutet, dass es heißen könnte, dass das Licht alle tausend Jahre wiederkommen wird, wenn die Menschen nicht ein für allemal in Frieden miteinander leben.«
»Was sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals tun werden«, bemerkte Varotto.
Barberi legte die Blätter auf den Schreibtisch. »Was halten Sie davon, Matthias?«
»Das Alter, das Leder und eigentlich auch der Inhalt würden zu den Schriftrollen passen, die man vor rund fünfzig Jahren in Qumran gefunden hat. Einige dieser Rollen, die man auf 200 v. Chr. datiert hat, beschäftigen sich ebenfalls mit Jesaja und decken sich in großen Teilen mit dem alten Testament. Beduinen haben damit ihre Lagerfeuer angezündet und zeitweise wurden sogar welche per Zeitungsanzeigen verkauft.«
»Was? Die haben sie zum Feuermachen benutzt? Unglaublich.«
»Ja, sie hatten keine Ahnung, was sie da entdeckt hatten. Man geht davon aus, dass danach alle noch vorhandenen Dokumente wiedergefunden wurden. Sie werden in Museen in Jerusalem aufbewahrt und einige davon sogar im Vatikan. Jedenfalls sollten sich keine mehr in Privatbesitz befinden. Das wirft natürlich die Frage auf, wie diese geheime Organisation an das Dokument gelangt ist.«
»Eine gute Frage. Was könnte es mit der Zeichnung und dem nachträglich eingefügten Text auf sich haben?«
»Nun, wenn dieses Licht der Stern von Bethlehem war, der die Geburt Jesu verkündet hat, und dieses Licht alle tausend Jahre wiederkehren soll, würde das bedeuten, dass nicht das Jüngste Gericht ansteht, sondern dass Jesus alle tausend Jahre wiedergeboren wird, solange die Menschheit nicht in Frieden lebt.«
»So ein ausgemachter Blödsinn«, brummte Varotto.
»Aber diese Männer sind doch 1981 geboren, rund zweitausend Jahre nach Christi Geburt«, warf Tissone ein.
»Eben. 1981 und nicht 2000.«
»Wenn man davon ausgeht, dass das stimmt, was da steht«, sagte Matthias, »so wie es vielleicht diese Verrückten tun, könnte man argumentieren, dass die tausend Jahre sich auf die große Sternenkonjunktion beziehen, und die war für diese Jahrtausendwende definitiv 1981. Glaubt man die Theorie mit der großen Konjunktion als Erklärung für den Stern von Bethlehem, wurde Jesus nicht im Jahre Null nach unserer Zeitrechnung geboren, sondern sieben Jahre vorher.«
»Gut. Aber das würde auch bedeuten, dass Jesus vor einem Jahrtausend schon einmal wiedergeboren wurde. Und hat jemand von euch im Religionsunterricht davon gehört? Ich nicht.«
Matthias lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, aber es wäre doch durchaus denkbar. Vielleicht hatte er damals einen Unfall. Oder er starb an einer Krankheit. Oder er ist getötet worden.«
Varotto grinste süffisant. »Und das würde euer allmächtiger Gott zulassen?«
»Nochmals: Ich versuche es aus Sicht dieser Verbrecher zu sehen, und die könnten sagen: Warum nicht? Auch vor zweitausend Jahren hat er es zugelassen, dass Jesus gekreuzigt wurde. Sein Tod war Sinn seines irdischen Lebens.«
»Zur Errettung der Menschheit«, sagte da eine Frauenstimme in ihrem Rücken.
Die Männer fuhren herum.
»Sieh an, die Presse«, sagte Varotto. »Warum liegst du nicht im Bett und schläfst ein paar
Weitere Kostenlose Bücher