Castillo der Versuchung
wolltest.“
Sophie erstarrte. „Was soll denn das heißen? Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?“
Norah errötete. „Natürlich“, sagte sie dann beschwichtigend. Nicht zum ersten Mal hatte sie versucht, vorsichtig anzudeuten, dass Belinda Sophie vielleicht fremder gewesen war, als diese glaubte. Sophie reagierte jedes Mal verärgert, bemühte sich aber, das Ganze nicht überzubewerten. Sie wusste ja, dass sich Norah und Belinda nicht leiden konnten. Norah war in Belindas Augen viel zu streng und direkt gewesen, und Belindas kühle Art hatte Norah verletzt und beleidigt.
Mit Lydia im Kinderwagen verließ Sophie den ordentlichen kleinen Bungalow der Moores und ging zu ihrem Wohnwagen. Belinda hatte es verabscheut, dort zu wohnen, und war froh gewesen, als sie in das schicke Apartment ihres Freundes ziehen konnte. Aber Sophie fühlte sich in dem Wohnwagen zu Hause, und es gefiel ihr besonders, dass sie aus dem großen Vorderfenster Ausblick auf eine Schafweide hatte. Sie träumte davon, sich eines Tages einen eigenen moderneren Wohnwagen kaufen zu können.
Schnell schlüpfte sie jetzt in ihre Jeans und nahm das Putzzeug, um die Arbeitszeit wieder aufzuholen, die sie mit dem Besuch im Notariat und durch die Auseinandersetzung mit Antonio verloren hatte. Gern hätte sie die Gedanken an den stolzen Spanier verdrängt. Aber ständig ging ihr durch den Kopf, wie sie ihm anlässlich Belindas Hochzeit zum ersten Mal begegnet war.
Als Belinda sie bat, Brautjungfer zu werden, hatte Sophie begeistert zugesagt. Ihre Vorfreude wurde allerdings gedämpft, sobald Sophie begriff, dass sie ihre Herkunft verleugnen und jeden zu engen Kontakt zu Pablos blaublütiger Familie vermeiden sollte. Diese peinlichen Einschränkungen ertrug sie nur, weil ihre Schwester sie angefleht hatte, an ihrem schönsten Tag im Leben teilzuhaben.
Belinda übernahm sämtliche Kosten für sie. Um diese möglichst gering zu halten, hatte Sophie sich entschieden, im Rahmen einer günstigen fünftägigen Pauschalreise nach Spanien zu fliegen und in einem nahe gelegenen Urlaubsort zu übernachten. Sophies Vater, seine damalige Freundin und deren Sohn schlossen sich ihr an. Am Tag der Ankunft und am Abend vor der Hochzeit hatte Sophie Belinda zu einem geselligen Abend auf das beeindruckend große Anwesen eines Verwandten von Pablo begleitet.
Sophie fühlte sich wie verkleidet in dem schicken Hosenanzug, den Belinda für sie gekauft hatte. Aus Angst, ihre Schwester in so gehobener Gesellschaft zu blamieren, zog sich Sophie ins Billardzimmer zurück. Dort traf sie dann zum ersten Mal auf Antonio. Als sie von ihrem Spiel aufsah, lehnte er an der Tür und beobachtete sie. Mit dem schwarzen Poloshirt und der dunklen Hose hatte er einfach umwerfend ausgesehen. Allerdings war Sophie seine dezente Eleganz keineswegs entgangen, und sie ging automatisch auf Distanz.
„Wie lange beobachten Sie mich schon?“
Antonio lachte. „Lange genug, um zu sehen, wie gut Sie spielen können“, antwortete er dann in perfektem Englisch mit leicht spanischem Akzent. „Sie spielen nicht Billard, sondern Snooker. Wer hat Ihnen das beigebracht?“
„Mein Dad.“
„Entweder sind Sie ein Naturtalent, oder Sie haben unheimlich viel geübt.“
Sophie widerstand dem Drang zuzugeben, dass ihr Vater sie früher oft von der Schule zu Hause behalten hatte, damit er sie um die Mittagszeit mit in Bars nehmen konnte. Dort schloss er Wetten darauf ab, dass seine Tochter jeden im Snooker schlagen würde. Diesen einträglichen Zeitvertreib hatte er erst aufgegeben, als er von der Behörde strengstens verwarnt worden war, weil seine Tochter so selten zur Schule kam.
„Ich schätze mal …“, murmelte Sophie, während sie Antonio unter niedergeschlagenen Lidern hervor schüchtern ansah, „… dass ich nicht hier sein sollte.“ Gut aussehenden Männern misstraute sie automatisch, und er sah einfach umwerfend aus.
„Wieso sollten Sie nicht hier sein? Sind Sie denn nicht eine Freundin der Braut?“
Sophie dachte an Belindas Warnung und nickte notgedrungen.
„Und wie heißen Sie?“ Antonio löste sich lässig vom Türrahmen und kam auf sie zu.
„Sophie …“
Er streckte ihr seine Hand entgegen. „Ich bin Antonio.“
Sie streifte gerade mal seine Fingerspitzen, weil sie es so eilig hatte, zur Tür zu kommen. „Ich gehe besser wieder nach nebenan, bevor man mich vermisst. Ich will die anderen nicht vor den Kopf stoßen.“
„Welche anderen denn?“, fragte er und zog
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