Castillo der Versuchung
Streit zwischen ihrem Vater und seiner Freundin im Zimmer nebenan zu überhören, stellte sie fest, dass sie ständig an Antonio denken musste.
Jedes Mal, wenn sie gedacht hatte, er würde gleich zeigen, dass man nicht auf ihn bauen konnte, war sie vom Gegenteil überzeugt worden. Antonio schenkte auch der kleinsten Kleinigkeit Gehör, die sie äußerte, als ob ihn tatsächlich interessierte, was sie sagte. Kein einziges Mal hatte er sie angeschrien, geflucht oder anderen Frauen in ihrem Beisein schöne Augen gemacht. Auch war er ihr gegenüber nie aufdringlich oder hatte gar versucht, sie mit Alkohol gefügig zu machen. Ganz im Gegenteil, auf wundersame und romantische Weise war es Antonio Rocha gelungen, dass sie sich wie etwas Besonderes fühlte – wie ein wertvoller Mensch, dem man seine Aufmerksamkeit schenkte und um den man sich kümmerte. Das war ihr bisher noch nie passiert.
Trotz ihrer zwanzig Jahre hatte sie noch keinen ernst zu nehmenden Freund gehabt. Denn sie wusste, dass man bei zu vielen wechselnden Beziehungen rasch seine Wertschätzung verlieren, aus Liebeskummer womöglich die Ausbildung abbrechen konnte und danach nur noch geringe Chancen auf einen guten Job hatte. Sophie sagte sich immer, dass sie viel zu clever war, um sich von rein körperlicher Leidenschaft mitreißen zu lassen. Aber in Wirklichkeit sprachen sie die plumpen Annäherungsversuche der Männer ihres Alters einfach nicht an. So hatte sie auch noch nie bis zum Morgengrauen wach gelegen und die Stunden gezählt, bis sie einen Mann wiedersehen konnte. Sie hatte sich nie den Kopf darüber zerbrochen, ob eine bestimmte Person sie mochte oder nur höflich war, und sich auch nicht ausgemalt, wie es wohl wäre, wenn eben derjenige sie küsste.
Tatsächlich hatten ihre Fantasien bezüglich Antonio so weit geführt, dass sie ihm bei ihrem nächsten Wiedersehen nur schüchtern gegenübertrat und errötend stammelte. Während Belindas Hochzeitsfeierlichkeiten hatte Sophie dann allerdings im siebten Himmel geschwebt. Und es hatte sie umso härter getroffen, als sie vierundzwanzig Stunden später auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden war …
Antonio war noch beim Notar geblieben, um einige Dinge in Bezug auf Belinda zu klären. Viel konnte er nicht in Erfahrung bringen, doch es reichte aus, um ihn ins Grübeln zu bringen.
Offensichtlich war Belinda kurz vor ihrem Tod völlig mittellos gewesen und hatte in einer Bar gearbeitet. Bis zur Hochzeit mit seinem Bruder Pablo hatte sie als Empfangsdame in einer Londoner Modelagentur gearbeitet und dank des beträchtlichen Vermögens und des Anwesens, das sie von ihren Eltern geerbt hatte, ein sorgenfreies, abgesichertes Leben führen können. Antonio konnte sich allerdings gleich denken, dass Pablo die Schuld an Belindas bedauerlicher Lage trug, und wurde ärgerlich. Als er dann noch erfuhr, dass seine Schwägerin vor ihrem Tod mit einem anderen Mann liiert gewesen war, wurde ihm klar, warum sie die Rochas nicht um Hilfe gebeten hatte.
Es war nicht leicht, Antonio zu überraschen, aber als man ihm die Adresse von Sophie gab, erschrak er regelrecht. Sie wohnte auf einem Campingplatz. Das konnte er keineswegs gutheißen. War sein krimineller Bruder etwa auch für ihre Verarmung verantwortlich?
Wenig später ließ Antonio seine Limousine vor dem Eingang des Campingplatzes halten, und der Chauffeur vergewisserte sich noch einmal bei ihm, ob dies auch die richtige Adresse sei. Während sich der Fahrer in dem heruntergekommenen Büro nach Sophie erkundigte, kam Antonio zu dem Schluss, dass Geld wohl die beste Lösung für alle Probleme sein würde.
Sophie putzte gerade den Boden in einem der etwas besseren Campingwagen, als jemand heftig an die Tür klopfte. Sie rappelte sich auf, öffnete und erstarrte, als sie direkt in Antonios nachtschwarze Augen blickte, deren Intensität noch durch seine dunklen Brauen verstärkt wurde. Obwohl sie sich im Grunde dafür schämte, konnte sie nicht anders, als Antonio wie gebannt anzustarren. Sie verinnerlichte jeden einzelnen seiner markanten, männlichen Gesichtszüge. Dabei begann ihr Herz zu rasen. „Du hast sieben Uhr gesagt“, erinnerte sie ihn dann. „Was machst du hier schon so früh?“
„Passt es dir jetzt nicht?“, fragte Antonio, während er seinen aufmerksamen Blick von ihrer goldfarbenen Lockenpracht zu ihrem leicht erhitzten Gesicht und dann zurück zu den vollen, sinnlichen Lippen gleiten ließ. Dabei versuchte er sich einzureden,
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