Castillo der Versuchung
musterte er sie mit eiskaltem Blick. „Du hast ganz andere Wertvorstellungen als ich. Von nun an halten wir uns an unsere Abmachungen.“
Ihre Hände zitterten. Sie hatte ihn wirklich beleidigt. Jetzt wandte sie sich ab, damit er nicht länger sah, wie betroffen sie das machte. Ihre Augen brannten, und gleich würden ihr die Tränen kommen. Sophie fühlte sich wie gelähmt und bereute zerknirscht, dass sie mit Antonio geschlafen hatte. Sie hätte sich besser beherrschen sollen. Es lag jetzt fast drei Jahre zurück, aber sie erinnerte sich noch gut, wie Pablo am Tag seiner Hochzeit von der phänomenalen Wirkung erzählt hatte, die sein Bruder auf Frauen hatte. Für jemanden wie ihn musste Sex doch bedeutungslos sein. Antonio konnte jede Frau haben, und wer schätzte schon, was sich ihm im Übermaß bot? Doch sie konnte einfach nicht ertragen, dass er jetzt schlecht von ihr dachte und tatsächlich glaubte, sie hätte keinerlei Moralgefühl.
Sophie schloss sich im Badezimmer ein und studierte ihr Gesicht. Schmerz und Bedauern lagen in ihrem Ausdruck, und auch die Spuren der Tränen waren nicht zu übersehen. Hätte ihr Traum nicht ein bisschen länger dauern können? Wenn sie bloß nicht auf diese dumme, schamlose Geschichte verfallen wäre, dass sie nur mit ihm geschlafen hätte, um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Wieso hatte er ihr überhaupt geglaubt? Wusste er denn nicht, wie unwiderstehlich sie ihn fand? Aber wann hatte sie eigentlich vergessen, dass sie nur mit ihm verheiratet war, damit sie sich um Lydia kümmern konnte? Sie hatte versprochen, ihn nicht als Ehemann zu betrachten und ihm seine Freiheit zu lassen. Doch konnte sie dieses Versprechen noch halten? Sich Antonio in den Armen einer anderen vorzustellen stürzte Sophie in tiefe Verzweiflung.
Nachdem Sophie sehr schlecht geschlafen hatte, stand sie am nächsten Morgen bereits um sieben Uhr auf: Lydia war sicher schon wach und vermisste sie. Zu ihrem großen Erstaunen fand sie Antonio im Kinderzimmer vor. Er hielt Lydia auf dem Arm und sprach leise mit ihr auf Spanisch.
Sophie blieb einen Augenblick lang unschlüssig in der Tür stehen, beschloss dann aber, die Gunst der Stunde zu nutzen und ihren Streit mit Antonio beizulegen. „Ich hätte dich gar nicht hier erwartet.“
Weder aus seinem Blick noch seinem unbewegten Gesichtsausdruck war zu schließen, was er dachte. „Ich wollte mich von Lydia verabschieden, bevor –“
„Du gehst weg“, unterbrach ihn Sophie erschrocken, „ohne mir –?“
„Ich wollte dich nicht wecken und hätte dich schon noch angerufen“, fiel ihr Antonio ungerührt ins Wort. „Ich habe geschäftlich zu tun. Ich hatte gehofft, einige Tage hier bleiben zu können, aber es sollte nicht sein.“
Sophie war ganz blass geworden. Bestimmt hatte er sich nur wegen ihres Verhaltens von letzter Nacht so plötzlich zu dieser Geschäftsreise entschlossen. „Wann kommst du wieder?“
„Das kann ich noch nicht genau sagen. Erst fliege ich nach Japan, dann nach New York und anschließend muss ich noch etwas in Madrid erledigen.“
„Antonio …“ Sophie zitterte. Sie fühlte sich verletzt und enttäuscht zugleich. „Glaubst du nicht, wir sollten uns vorher noch einmal unterhalten?“
„Nein, ich denke, wir haben einander letzte Nacht alles mitgeteilt, was es zu dem Thema zu sagen gibt“, entgegnete Antonio mit seiner überhöflichen und distanzierten Art.
Wie gern hätte Sophie ihm ihre Liebe gestanden, aber sie war zu stolz. Zu oft in ihrem Leben hatte man sie zurückgewiesen und enttäuscht, sodass sie sich jetzt nicht ein weiteres Mal bloßstellen und verletzt werden wollte. Wie war sie nur auf die Idee gekommen, dass es ihn interessieren könnte, was sie zu sagen hatte? Schließlich war sie in Antonios elitärer Welt kein Mensch, dem eine tiefere Bedeutung zukam. Da lieferte sie sich doch nicht freiwillig seiner Verachtung aus. Wenn er ihr gegenüber immer noch Zorn hegte, war es sicher besser abzuwarten, bis sich die Wogen geglättet hatten, bevor sie versuchte, ihn irgendwie zurückzugewinnen.
„Buenos días , Sophie.“ Mit diesen Worten betrat Doña Ernesta die im Schatten liegende Loggia, wo Sophie stickte, während Lydia auf einer Decke zu ihren Füßen spielte. „Ich glaube, du bist die geschäftigste Frau, die jemals in unsere Familie eingeheiratet hat. Du arbeitest ja ununterbrochen.“
„Aber das ist doch keine Arbeit … das ist Vergnügen.“ Sophie führte noch einen Stich aus und sah dann von
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