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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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»Übermensch?«
    »Obermensch«, berichtigte Yossarián.
    »He, Leute«, drängte Nately verlegen. »Die anderen sehen schon her.«
    »Du bist verrückt«, schrie Clevinger wild, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Du hast einen Jehovakomplex.«
    »Wenn schon einen Komplex, dann einen Nathaniel-Komplex.«
    Clevinger unterdrückte mißtrauisch die Entgegnung, die ihm schon auf der Zunge lag. »Wer ist Nathaniel?«
    »Welcher Nathaniel?« erkundigte sich Yossarián harmlos.
    Clevinger wich dieser Falle geschickt aus. »Du hältst jeden für Jehova, du bist genauso übel wie Raskolnikow . . .«
    »Wie wer?«
    »... jawohl, Raskolnikow, der ...«
    »Raskolnikow!«
    ».. . der. . . ich meine das im Ernst. . . der sich berechtigt fühlte, eine alte Frau umzubringen . . .«
    »Weiter nichts?«
    ».. . ja, berechtigt, ganz richtig . . . mit einer Axt! Und das kann ich dir beweisen!« Wütend nach Luft schnappend, zählte Clevinger Yossariáns Symptome auf: die vernunftwidrige Überzeugung, daß alle Welt verrückt sei, der mörderische Trieb, Fremde mit einem Maschinengewehr zu beschießen, nachträgliche Fälschungen von Tatsachen, ein grundloser Verdacht, daß man ihn hasse und sich verschworen habe, ihn zu töten.
    Yossarián jedoch wußte, daß er recht hatte, weil er, wie er Clevinger auseinandersetzte, seines Wissens noch niemals unrecht gehabt habe. Wohin er auch blicke, gewahre er Tollhäusler, und ein vernünftiger junger Mensch wie er könne im besten Fall nicht mehr tun, als unter so vielen Wahnsinnigen den Verstand zu behalten. Und das sei dringend geboten, denn er wisse nur zu gut, daß sein Leben gefährdet sei.
    Als Yossarián aus dem Lazarett zurückkehrte, betrachtete er jedermann mit großem Mißtrauen. Auch Milo war fort, in Smyrna zur Feigenernte. Küche und Offiziersmesse funktionierten auch in Milos Abwesenheit einwandfrei. Yossarián hatte schon heißhungrig das starke Aroma von Lammbraten eingesogen, während er noch im Führerhaus des Krankenwagens saß, der über die zerlöcherte Straße holperte, die vom Lazarett zum Bereich der Staffel führte. Zum Mittagessen sollte es Shish-kabob geben, große schmackhafte, aufgespießte Fleischbrocken, die wie der Teufel über glühenden Holzkohlen zischten, nachdem sie zuvor zweiundsiebzig Stunden in einer Flüssigkeit gelegen hatten, deren Zusammensetzung Milo geheim hielt und deren Rezept er einem betrügerischen Händler aus der Levante gestohlen hatte.
    Das Fleisch wurde mit iranischem Reis und Spargelspitzen aufgetragen, zum Nachtisch gab es Kirschtorte, danach dampfenden Kaffee mit Benediktiner und Kognak. Die Mahlzeit wurde in großen Portionen auf Damasttischtüchern von den italienischen Kellnern serviert, die Major — de Coverley vom Festland entführt und Milo geschenkt hatte.
    Yossarián schlug sich so voll, daß er glaubte, er werde platzen, dann lehnte er sich völlig benommen mit triefenden Lippen zurück. Keiner der Offiziere der Staffel hatte je im Leben so gut gegessen wie hier regelmäßig in Milos Messe gespeist wurde, und Yossarián überlegte eine Weile, ob das gute Essen nicht all die Plage wert sei. Dann rülpste er jedoch, besann sich darauf, daß man versuchte, ihn zu töten, und stürzte wie ein Wilder aus der Messe auf der Suche nach Doc Daneeka, der ihn fluguntauglich schreiben und nach Hause schicken sollte. Er fand Doc Daneeka vor dessen Zelt auf einem hohen Hocker in der Sonne sitzen.
    »Fünfzig Feindflüge«, erklärte Doc Daneeka ihm und schüttelte den Kopf. »Der Colonel verlangt fünfzig Einsätze.«
    »Aber ich habe doch erst vierundvierzig!«
    Doc Daneeka war unbeeindruckt. Er war ein trauriger, vogelähnlicher Mann mit langem Gesicht und den säuberlich gewaschenen Zügen einer gut gepflegten Ratte.
    »Fünfzig Einsätze«, wiederholte er und schüttelte dabei immer noch den Kopf. »Der Colonel verlangt fünfzig Einsätze.«

Havermeyer
    Als Yossarián aus dem Lazarett zurückkam, fand er niemanden vor als Orr und den toten Mann in Yossariáns Zelt. Der tote Mann in Yossariáns Zelt war eine furchtbare Plage, und Yossarián mochte ihn gar nicht, obgleich er ihn nie gesehen hatte. Daß der tote Mann da den ganzen Tag herumlag, ärgerte Yossarián so sehr, daß er bereits mehrmals auf die Schreibstube gegangen war, um sich beim Sergeanten Towser zu beschweren, der sich indessen weigerte, zuzugeben, daß der tote Mann überhaupt existierte, was selbstverständlich auch nicht länger mehr der Fall war. Noch

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