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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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Großstädte mit einer lässigen Handbewegung aus, als sei er der liebe Gott. Laut IKS mußte unter jedem zensierten Brief der Name des zensierenden Offiziers stehen. Die meisten Briefe las er überhaupt nicht. Auf diese, die er überhaupt nicht las, setzte er seinen eigenen Namen. Auf die, die er las, schrieb er »Washington Irving«. Als das eintönig wurde, schrieb er, »Irving Washington«. Die Zensur der Briefumschläge hatte ernste Folgen: Sie verursachte Unruhe und Besorgnis in einer weit entfernten, feinfühligen Militärbehörde, die einen Untersuchungsbeamten vom CID in die Krankenstation entsandte, wo er den Patienten spielen mußte. Jedermann wußte, daß es sich um einen CID-Menschen handelte, weil er sich immer wieder nach einem Offizier namens Irving oder Washington erkundigte, und weil er sich bereits nach dem ersten Tag weigerte, Briefe zu zensieren. Er fand sie zu langweilig.
    Es war recht angenehm auf der Station, ja, es war eine der angenehmsten Stationen, auf denen Yossarián und Dunbar jemals gelegen hatten. Dieses Mal leistete ihnen der vierundzwanzig Jahre alte Jagdflieger mit dem dünnen goldenen Schnurrbärtchen Gesellschaft, der im tiefsten Winter abgeschossen worden und in die Adria gestürzt war, ohne sich zu erkälten. Jetzt, mitten im Sommer, war er nicht abgeschossen worden, behauptete aber trotzdem, die Grippe zu haben. Rechts neben Yossarián lag der verschreckte Captain mit der Malariainfektion und dem Mückenstich auf dem Hintern immer noch verliebt auf dem Bauch. Auf der anderen Seite des Ganges lag Dunbar Yossarián gegenüber und neben ihm der Captain von der Artillerie, mit dem Yossarián nicht länger mehr Schach spielte. Der Captain war ein guter Schachspieler, und die Partien waren immer interessant gewesen.
    Yossarián hatte aufgehört, mit ihm Schach zu spielen, weil die Partien so spannend wurden, daß es geradezu lächerlich war.
    Außerdem war da noch der gebildete Texaner aus Texas, der aussah wie eine Figur aus einem Farbfilm, und der die patriotische Ansicht vertrat, daß wohlhabende Leute — anständige Leute also — mehr Stimmen haben müßten als Herumtreiber, Huren, Verbrecher, Heruntergekommene, Atheisten und Hungerleider — unanständige Leute also.
    Als der Texaner aufgenommen wurde, war Yossarián gerade damit beschäftigt, Verse in seine Briefe einzuarbeiten. Es war wieder ein stiller, heißer, ruhiger Tag. Die Hitze lastete schwer auf dem Dach und erstickte alle Geräusche. Dunbar lag reglos auf dem Rücken und glotzte aus den Augen, die denen einer Puppe glichen, zur Decke. Er war eifrig dabei, seine Lebensdauer zu verlängern. Er tat das, indem er sich der Langeweile ergab. Dunbar mühte sich so eifrig darum, seine Lebensdauer zu verlängern, daß Yossarián ihn für tot hielt. Man legte den Texaner in ein Bett in der Mitte der Station, und es dauerte nicht lange, da gab er bereits seine Ansichten zum besten.
    Dunbar richtete sich mit einem Ruck auf. »Jetzt hab ich's«, rief er aufgeregt, »immer hat was gefehlt, ich wußte die ganze Zeit, daß was fehlte, und jetzt weiß ich, was es ist.« Er schlug mit der Faust in die Handfläche. »Es fehlt am rechten Patriotismus«, erklärte er.
    »Richtig«, schrie Yossarián zurück. »Richtig, richtig, richtig. Heiße Würstchen, die heimische Fußballmannschaft, Mutters Apfelkuchen.
    Dafür kämpfen alle. Wer aber kämpft für die anständigen Leute?
    Wer kämpft dafür, daß die anständigen Leute mehr Stimmen abgeben dürfen? Kein Patriotismus. Daran fehlt es. Und auch am Matriotismus.«
    Der Deckoffizier links von Yossarián blieb unbeeindruckt.
    »Na und?« fragte er müde und legte sich auf die andere Seite, um einzuschlafen.
    Der Texaner erwies sich als gutmütig, generös und liebenswert.
    Nach drei Tagen konnte es keiner mehr mit ihm aushaken.
    Er jagte den empfindlichen Seelen Schauer des Abscheus über den Rücken und jeder floh ihn — jeder bis auf den Soldaten in Weiß, der keine Wahl hatte. Der Soldat in Weiß war von Kopf bis Fuß in Gips und Bandagen gehüllt. Er besaß zwei nutzlose Arme und zwei nutzlose Beine. Man hatte ihn während der Nacht auf die Station geschmuggelt, und die Männer ahnten nichts von seiner Gegenwart, bis sie am Morgen erwachten und die beiden befremdlichen Beine von den Hüften aufragen und die beiden befremdlichen Arme senkrecht in die Höhe streben sahen, alle vier Gliedmaßen befremdlich in der Luft gehalten durch Bleigewichte, die da oben geheimnisvoll befestigt

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