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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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Gummikugeln gedrückt?«
    »Weil Gummikugeln . . .« sagte Orr.
    ». . . besser sind als Holzäpfel.«
    Orr lachte höhnisch und schüttelte den Kopf. »Der Grund war, daß ich meinen guten Ruf wahren wollte, für den Fall, daß mich jemand mit Holzäpfeln in den Backen erwischt hätte. Solange ich Gummikugeln in den Händen hatte, konnte ich jederzeit bestreiten, daß ich Holzäpfel in den Backen hatte. Sobald mich jemand fragte, warum ich denn Holzäpfel in den Backen hätte, machte ich einfach die Hände auf und zeigte, daß es Gummikugeln waren, die ich mit mir herumtrug, nicht Holzäpfel; und daß ich sie in den Händen hatte, nicht aber in den Backen. Das war eine sehr gute Erklärung. Ich weiß allerdings nicht, ob sie je einer verstanden hat, es ist nämlich nicht so einfach, sich verständlich zu machen, wenn man beim Reden Holzäpfel in den Backen hat.«
    Yossarián fiel es ohnehin schon schwer genug, ihm zu folgen, und er fragte sich ein weiteres Mal, ob Orr ihn nicht auf den Arm nähme, Apfelbäckchen hin oder her.
    Yossarián beschloß, kein Wort mehr zu sagen. Es hatte sowieso keinen Zweck. Er kannte Orr und wußte, daß nicht die geringste Aussicht bestand, in diesem Augenblick aus ihm herauszubekommen, warum er dicke Backen hatte haben wollen. Es war ebenso aussichtslos, ihn danach zu fragen, wie es aussichtslos war zu fragen, warum die Hure ihm damals in Rom immer wieder mit dem Schuh auf den Kopf geschlagen hatte, als sie beide auf dem Korridor vor der geöffneten Tür des Zimmers standen, in dem die kleine Schwester von Natelys Hure wohnte. Die Hure war ein hochgewachsenes, strammes Mädchen mit langem Haar und leuchtend blauen Adern, die unter ihrer kakaofarbenen Haut zusammenliefen, wo das Fleisch am zartesten war, und während sie immer wieder barfuß in die Höhe sprang, um Orr von oben mit dem Absatz auf den Schädel zu hauen, fluchte und kreischte sie unablässig. Beide waren nackt. Sie verursachten einen Lärm, der alle Insassen der Wohnung auf den Korridor lockte. In jeder Schlafzimmertür stand ein Paar, und alle waren nackt, ausgenommen die alte Frau in Schürze und Pullover, die tadelnd mit der Zunge schnalzte, und der unzüchtige, alte, verlebte Mann, der während dieses ganzen Auftrittes unerhört belustigt, gierig und schadenfroh gackerte. Das Mädchen kreischte, und Orr kicherte. Immer wenn sie ihm mit dem Absatz eins versetzte, kicherte Orr lauter, was sie noch wütender machte, worauf sie noch höher sprang und ihm wieder eins auf die Nudel knallte.
    Dabei standen ihre wunderbar üppigen Brüste wie Banner im Wind, ihr Hintern und die festen Schenkel schnellten auf und nieder wie Aktienkurse. Sie kreischte, und Orr kicherte, dann kreischte sie noch einmal und schickte ihn mit einem soliden, gut gezielten Schlag auf die Schläfe, der seinem Kichern ein Ende machte, zu Boden. Mit einem Loch im Kopf, das nicht sehr tief war, wurde er auf der Trage ins Lazarett befördert, wo man ihn einer sehr leichten Gehirnerschütterung wegen zwölf Tage lang von der Teilnahme am Krieg dispensierte.
    Niemand hatte begriffen, was da vorgegangen war, nicht einmal der gackernde alte Mann und die gluckende alte Frau, die doch sonst immer über alles Bescheid wußten, was in jenem geräumigen, schier endlosen Bordell mit den zahllosen Schlafzimmern vorging, die sich an engen Korridoren gegenüberlagen, welche in entgegengesetzten Richtungen von dem großen Salon mit den verhängten Fenstern und der einsamen Lampe wegführten. War sie Orr seither begegnet, so pflegte sie die Röcke über die strammen weißen Höschen heraufzuziehen, ordinär zu höhnen, den festen runden Bauch herauszustrecken, verächtlich zu schimpfen und in heiseres brüllendes Gelächter auszubrechen, wenn sie sah, daß er ängstlich zu kichern begann und sich hinter Yossarián versteckte. Jedenfalls war es immer noch ein Geheimnis, was er da hinter der geschlossenen Tür von Schwesterchens Zimmer getan, zu tun versucht, oder unterlassen hatte. Das Mädchen weigerte sich, Natelys Hure oder einer der anderen Huren oder Nately oder Yossarián zu sagen, was vorgegangen war. Vielleicht würde es Orr einmal erzählen, doch hatte Yossarián beschlossen, vorderhand kein Wort mehr zu sagen.
    »Willst du nun wissen, warum ich mir dicke Backen wünschte?«
    fragte Orr.
    Yossarián hielt den Mund.
    »Erinnerst du dich noch«, sagte Orr, »wie das Mädchen, das dich nicht leiden kann, mir damals in Rom mit dem Schuh auf den Kopf geschlagen hat?

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