CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
Esszimmer, wo ein bogenförmiger Durchgang in den Wintergarten führte. Tatsächlich war in der Tür eine einzelne Scheibe herausgeschlagen; Hank war so dumm gewesen, den Schlüssel innen stecken zu lassen.
Stemper warf einen Blick nach draußen. Die Nacht war ruhig und sehr dunkel, tiefhängende Wolken verdeckten Mond und Sterne. Weit und breit war niemand zu sehen.
»Merk dir eins«, sagte er leise. »Ich habe dein Gesicht gesehen, als du weggetreten warst. Du hast meins nicht gesehen. Wenn irgendetwas hiervon durchsickert, wirst du mich nicht mal kommen sehen.«
»Hab schon verstanden. Ich werd’s wohl kaum ausplaudern, oder?«
»Und auch kein Wort zu Traci, sonst garantiere ich dir, dass sie dafür büßen wird.«
Er schleuderte den Einbrecher hinaus auf die Terrasse. Der Mann strauchelte und zerrte an der Jacke, die immer noch sein Gesicht bedeckte. Stemper schloss die Tür ab, steckte den Schlüssel ein und zog sich zurück.
Jerry war im Büro und kaute so wild auf einem Nagel herum, dass er sich fast den halben Finger abbiss.
»Ein kleiner Einbrecher«, erklärte Stemper. »Ich glaube nicht, dass er ein Risiko darstellt, aber wir sollten lieber das Feld räumen.«
»Hat er nicht Traci erwähnt?« Jerry lachte sarkastisch. »Hat sie ihn dazu angestiftet?«
»Das werde ich herausfinden.« Stemper deutete auf die Computer. »Lassen Sie uns die ausschalten.«
»Das ist ein Alptraum. Es ist, als ob irgendein Fluch auf O’Brien liegt.«
Oder auf dir , dachte Stemper. Aber das sagte er nicht. Es wäre nicht klug, Jerry zu warnen.
40
Am Freitagmorgen erwachte Cate in unerwartet positiver Stimmung und beschloss, gleich eine Runde zu laufen. Die Luft war kühl, aber würzig, und es wehte eine sanfte Brise vom Meer. Der dünne Wolkenschleier am Himmel hatte einen verheißungsvollen Glanz – sicher würde bald die Sonne durchkommen. Cate schaffte zwei Meilen entlang der Promenade und wechselte dann und wann ein gequältes Lächeln mit den anderen Masochisten, die sich schon in aller Herrgottsfrühe zum Joggen, Radfahren, Inlineskaten oder einem Spaziergang mit dem Hund aufgerafft hatten.
Sie versuchte nicht zu viel über Robbie oder Hank O’Brien nachzudenken. Stattdessen beschäftigte sie sich mit der Arbeit. Es waren Arztberichte zu lesen und Schadensaufstellungen vorzubereiten, und sie war entschlossen, noch vor dem Wochenende den Rückstand aufzuarbeiten.
Um zwanzig vor acht war sie zurück, und weil sie so brav gewesen war, überlegte sie, sich zum zweiten Frühstück ein paar Kekse zu gönnen. Sie duschte, zog sich an und war im Begriff, das Haus zu verlassen, als es an der Tür klingelte.
Es war DS Thomsett, eine Dokumentenmappe in der Hand. Avery, sein kratzbürstiger Gehilfe, lauerte direkt dahinter.
»Die Phantombilder. Haben Sie einen Moment Zeit, sie sich anzuschauen?«
Ein entwaffnendes Lächeln überwand Cates Widerstand. »Ein paar Minuten kann ich schon opfern. Kommen Sie rein.«
Sie führte die Polizisten ins Wohnzimmer. Da fiel ihr ein, dass am Heizkörper ein BH hing – und nicht einmal ein besonders ansehnlicher, sondern ein Alltagsteil von Marks & Spencer, das schon einen Grauschleier hatte. Es gelang ihr, ihn unauffällig herunterzunehmen und unter dem Esstisch verschwinden zu lassen. Thomsett ließ sich nicht anmerken, ob er etwas gesehen hatte, doch Avery gab ein sarkastisches Räuspern von sich.
Sie gaben ihr zwei Blatt Papier. Aus Angst, ihre Hände könnten zittern, hielt sie die Bogen fest zwischen den Fingern, bis sie sich gesetzt hatte und sie auf den Knien ablegen konnte.
Es waren zwei En-face-Porträts, gezeichnet in einem leicht unrealistischen, karikaturähnlichen Stil. Cate kniff die Augen zusammen. Sie musste sich bemühen, den Ausdruck ernsthafter Konzentration nicht zu übertreiben, und zugleich darauf achten, sich nicht durch irgendwelche Anzeichen des Wiedererkennens zu verraten.
Die Ähnlichkeit mit Robbie und Dan fiel ihr sofort auf, was sicher hauptsächlich daran lag, dass sie damit gerechnet hatte, sie zu sehen. Je genauer sie hinschaute, desto mehr ungenaue Details fielen ihr auf. Schlagartig wurde ihr klar, dass Robbie sich die neue Frisur wegen der Phantombilder zugelegt hatte – ein kluger Schachzug von ihm, wie sie zugeben musste.
»Würden Sie irgendetwas ändern?«, fragte Thomsett.
Nach einer angemessenen Pause legte sie einen Finger auf die Zeichnung, die ihren Bruder darstellte. »Sein Gesicht war länger, mit einem schmaleren
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