CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
Bruder , dachte Dan. Es ist nur jemand, der sich für ihn ausgibt.
Er wandte sich an die ganze Gruppe. »Habt ihr den ganzen Nachmittag getrunken?«
Ein paar der Jungs brummten zustimmend mit trotzigem Unterton.
»Und was habt ihr sonst noch eingeworfen?«
Niemand antwortete, doch Miles verriet sie mit einem dämlichen Grinsen. Dan registrierte, dass Robbie in der Nähe herumstand und Louis anstarrte. Als er merkte, dass Dan auf ihn aufmerksam wurde, sah er schnell weg.
Die Ablenkung war das Signal für Louis, sich in Bewegung zu setzen. »Kommt, wir verschwinden hier.«
»Du gehst nach Hause.« Dan streckte die Hand aus, doch sein Bruder schlug ihm brutal mit der Handkante auf den Arm.
»Zwing mich doch.«
Unter höhnischem Gelächter schoben sich die Jungen an ihm vorbei und marschierten die North Street hinauf. Sie mochten noch grün hinter den Ohren sein, mit großer Klappe und nichts dahinter, aber Dan wusste, dass er sie nicht mit roher Gewalt aufhalten konnte, und das wollte er auch gar nicht. Er hatte noch nie in seinem Leben nach seinem Bruder geschlagen. Allein der Gedanke erfüllte ihn mit Abscheu.
Robbie trat von hinten an ihn heran und sagte: »Besser, du lässt sie laufen.«
»Hast du gesehen, in was für einem Zustand sie waren?«
»Du warst auch mal siebzehn, hast du das schon vergessen?«
»Aber ich habe mich nicht so aufgeführt. Sie haben riskiert, verhaftet zu werden.«
Robbie zuckte mit den Achseln. »Sie haben doch nichts wirklich Schlimmes getan. Du musst begreifen, dass dein Bruder seine Freiheit braucht. Er ist da ein bisschen wie ich«, fügte er hinzu.
»Das will ich nicht hoffen«, sagte Dan, und sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte. »Alles, nur nicht das.«
39
Stemper hatte sich unter O’Briens Bauernhaus ein stattliches historisches Gebäude vorgestellt – denkmalgeschützt, mit ziegelverkleideter Fassade im Sussex-Stil, freiliegenden Eichenbalken, gefliesten Böden und großen offenen Kaminen. Tatsächlich war es ein modernes Einfamilienhaus, das gut in eine Siebzigerjahre-Wohnsiedlung in gehobener Lage gepasst hätte. Der hauptsächliche Vorzug, soweit Stemper das beurteilen konnte, war das große Grundstück, das absolute Ruhe und Abgeschiedenheit garantierte.
Ein nächtlicher Besuch war alles andere als ideal für eine gründliche Suche, aber Stemper drängte darauf, die Sache in Fahrt zu bringen. Nach dem Gespräch von heute Abend war ihm klar, wie wichtig ein schneller Durchbruch war.
Was ihn am meisten schockierte, war die Tatsache, dass die Blakes Jerry Conlon mit der Bewachung eines Mannes betraut hatten, der für sie fünfzig Millionen Pfund wert war. Stemper hätte Jerry nicht einmal seine Anzüge für die Reinigung anvertraut.
Er hatte darauf bestanden, dass sie Latexhandschuhe, Overalls und Wollmützen trugen, um möglichst wenig Spuren zu hinterlassen. Es war ihm klar, dass Jerry das für eine völlig übertriebene Vorsichtsmaßnahme hielt. Conlon sah aus, als wäre er irgendeiner scheußlichen alternativen Theatertruppe entsprungen; ohne die fettige Haartolle in der Stirn erinnerte sein Gesicht an eine ältliche Echse.
»Ich habe gehört, dass von einer Änderung des Alarmcodes die Rede war?«, sagte Stemper.
»Stimmt, aber er wurde nicht geändert.«
»Das weiß ich. Haben Sie herausgefunden, warum er überlegt hatte, ihn zu ändern?«
Jerry grinste höhnisch. »Sie haben ihn nie kennengelernt, nicht wahr? Hank hat andauernd an irgendwas rumgemeckert.«
»Er war von höchster Wichtigkeit für die Blakes, und Ihr Job war es, ihre Interessen zu schützen. Sie hätten es sich zur Aufgabe machen sollen, es herauszufinden.«
Einen Moment lang herrschte eisiges Schweigen. Dann schniefte Jerry und sagte: »Tja nun, das ist ja wohl Schnee von gestern. Bringen wir’s hinter uns, wie wär’s?«
Die Inneneinrichtung war eine unruhige Mischung aus Tradition und Moderne. Nirgends wurde das so deutlich wie im großen Wohnzimmer, das im Stil der Siebzigerjahre auf zwei Ebenen angelegt war, ausgestattet mit einem gemauerten Kamin, weißen Ledersofas und Rauchglastischen.
Das Haus konnte von zwei Nachbargrundstücken aus gesehen werden, wenngleich die Entfernung recht groß war. Da flackernde Taschenlampen eher Verdacht erregt hätten, beschloss Stemper, dass es besser wäre, alle Vorhänge und Jalousien zuzuziehen und dann jeweils in dem Zimmer, das sie gerade durchsuchten, das normale Deckenlicht zu benutzen.
Der erste
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