Cathérine de Montsalvy
setzte sich die junge Frau wieder, unterließ es jedoch, dem Besucher, von dem sie noch nicht wußte, ob er als Freund oder Feind kam, einen Stuhl anzubieten. Er sprach von guten Absichten. Das war nach allem möglich, wenn man sich an den Lebensmittelkorb in der Höhle erinnerte, wohingegen die rauchenden Trümmer von Montsalvy Mißtrauen erregten. War dieses breite Lächeln nicht das des Wolfs?
»Sprecht!« sagte sie nur.
»Schöne Gräfin«, begann er, ein Knie bis zur ersten Stufe vorbeugend, »das Gerücht von Eurem Unglück ist bis zu mir gedrungen, und mein Herz ist gerührt. So jung … so schön und mit der Bürde eines Kindes beladen, könnt Ihr nicht ohne Schutz, ohne Verteidiger bleiben. Ihr braucht einen Arm, ein Herz …«
»In diesem Schloß mangelt es nicht an Armen … auch nicht an treuen Herzen, die mich und meinen Sohn bewachen«, unterbrach ihn Cathérine. »Ich verstehe nicht recht, Seigneur. Drückt Euch klarer aus!«
Flüchtige Röte überzog das olivfarbene Gesicht des Kastiliers. Er preßte die Lippen zusammen, doch es gelang ihm noch einmal, seinen aufsteigenden Zorn zu zähmen.
»Sei es denn! Ich werde mich so klar ausdrücken, wie Ihr es wünscht. Dame Cathérine, ich bin gekommen, um Euch dies zu sagen: Durch die Gnade König Karls von Frankreich, dem ich treu diene …«
»Hmmm!« hüstelte Bruder Etienne.
»Treu diene!« donnerte der Spanier. »Durch die Gnade auch meines Lehnsherrn, Königs Juan II. von Kastilien, bin ich Seigneur von Talmont, Graf von Ribadeo in Kastilien …«
»Bah!« unterbrach der Mönch liebenswürdig. »König Juan II. hat Euch nur gegeben, was Euch ohnehin zustand. Euer Großvater, der einst die Schwester des Stammlers von Villaines heiratete, war bereits Graf von Ribadeo, nicht wahr? Und was die Seigneurie von Talmont betrifft, so mache ich Euch mein Kompliment. Der Großkämmerer ist großzügig denen gegenüber, die ihm gut dienen … besonders mit dem, was ihm nicht gehört!«
Durch eine ungeheure Anstrengung brachte Villa-Andrado es fertig, die Unterbrechung zu ignorieren, aber Cathérine sah, wie seine Schläfen anschwollen, und glaubte einen Augenblick, er würde bersten.
Aber es geschah nichts. Der Kastilier begnügte sich, zwei- oder dreimal schnell und tief zu atmen.
»Wie dem auch sei«, fuhr er mit zusammengepreßten Zähnen fort, »ich bin gekommen, um Euch diese Titel und Güter zu Füßen zu legen, Dame Cathérine. Die Trauerschleier passen nicht zu Eurer großen Schönheit. Ihr seid Witwe, ich bin frei, reich, mächtig … und ich liebe Euch. Heiratet mich!«
So gewappnet sie gegen jede Überraschung war, zuckte Cathérine doch heftig zusammen. Ihr Blick war verstört, sie rang nervös die Hände.
»Ihr bittet mich …«
»Meine Frau zu werden! Ihr werdet in mir einen Gatten, einen unterwürfigen Sklaven haben, einen tapferen Arm zur Verteidigung Eurer Sache. Und Euer Sohn wird einen Vater finden …«
Die Erwähnung ihres kleinen Michel brachte Cathérine in Wallung. Daß dieser Mann es wagte, Arnaud als Vater seines Kindes ersetzen zu wollen, und daß dieser Mann eben der war, welcher … Nein! Das war unerträglich! Bebend vor Zorn, hob sie mit einer brüsken Bewegung den Schleier, unter dem sie beinahe zu ersticken drohte, und bot den Blicken Villa-Andrados ihr schmales, blasses Gesicht dar, in dem die großen veilchenblauen Augen wie Amethyste in der Sonne blitzten. Sie packte fest die beiden Armlehnen ihres Sessels, unwillkürlich eine Stütze suchend.
»Messire, Ihr beliebtet zu sagen, ich sei Witwe. Tatsächlich trage ich Witwenkleidung; aber nehmt Kenntnis davon, daß ich mich niemals als Witwe betrachten werde. Für mich lebt mein vielgeliebter Gatte und wird so lange leben, wie ich atmen werde. Aber Ihr wäret der letzte, jawohl, der letzte, den ich als seinen Nachfolger wählen würde!«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Holt Euch die Antwort aus den Ruinen von Montsalvy, Messire. Was mich betrifft, so habe ich Euch gesagt, was ich zu sagen hatte. Ich wünsche Euch einen guten Tag.«
Sie stand auf, um anzudeuten, daß die Unterhaltung beendet sei, aber ein zweideutiges Lächeln stahl sich auf die roten Lippen des Kastiliers.
»Anscheinend habt Ihr mich falsch verstanden, Madame. Ich habe Euch meine Hand angetragen … aus reiner Höflichkeit, aber tatsächlich müßt Ihr mich heiraten. Es ist ein Befehl.«
»Ein Befehl? Was für ein seltsames Wort. Von wem, bitte?«
»Was glaubt Ihr wohl, von
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