Cathérine de Montsalvy
hörte, das junge Mädchen habe den Schleier genommen, aber sie war so glücklich, wieder in den ihr zukommenden Kreis, auf ihren richtigen Platz zurückzukehren, daß nichts sie allzusehr treffen konnte. Sie war wie ein Stein, den ein heftiger Sturmwind aus seiner Mauer gerissen und ein sorgfältiger Maurer wieder an Ort und Stelle unter seinesgleichen zurückgesetzt hat. Es war gut, sich wieder von Freunden umgeben zu fühlen, die hübschen, lächelnden Gesichter wiederzusehen, liebenswürdige Worte zu hören nach so vielen ermüdenden Ritten, so vielen dunklen Tagen! Einige Männer mischten sich jetzt unter die Damen, begierig, sich der Heldin des Tages zu nähern. Etwas berauscht sah sie den schönen Herzog von Alençon auf sich zukommen, dann den Bastard von Orléans, Jean de Dunois, der sie einst vor der Folter gerettet hatte, den Marschall de La Fayette und andere mehr. Sie wußte gar nicht, wem sie zuerst antworten, wem sie zulächeln sollte, und suchte unter den Männern Pierre, Pierre, der aus der Auvergne zurückkam und den sie dringend ausfragen wollte. Doch plötzlich hörte sie eine Stimme, deren Gaskogner Akzent fröhlich hinter ihr aufklang, und drehte sich um.
»Hatte ich nicht vorausgesagt, daß man Euch am Hof des Königs wiedersehen würde? Habt Ihr auch ein Lächeln für einen alten Freund übrig?«
Sie streckte dem Neuangekommenen beide Hände entgegen und kämpfte gegen das Verlangen an, sich ihm an den Hals zu werfen.
»Bernard der Jüngere!« sagte sie liebevoll. »Wie gut, Euch wiederzusehen! Ihr habt uns also nicht vergessen?«
»Ich vergesse meine Freunde nie«, erwiderte Bernard d'Armagnac mit plötzlichem Ernst, »besonders nicht, wenn sie Euren Namen tragen. Kommt mit …«
Er hatte sie am Arm genommen und zog sie beiseite. Man machte ihnen Platz. Die Gruppen formierten sich um den König und die Königinnen, das Hofleben nahm wieder seinen Gang, während man darauf wartete, daß zum Souper geblasen wurde. Cathérine, von nun an zugelassen, war in die Gemeinschaft aufgenommen worden. Neben ihm gehend, betrachtete Cathérine prüfend das faunhafte Gesicht des Grafen de Pardiac. Dieses braune Gesicht mit den grünen Augen und den spitzen Ohren, fein und durchgeistigt, erinnerte sie an die grausamen und zärtlichen Stunden von Montsalvy. Bernard hatte sie vor dem Tod gerettet, Arnaud und sie, hatte ihnen in Carlat Zuflucht gewährt. Ohne ihn – weiß Gott, was aus ihnen geworden wäre! …
In einer Fensternische angelangt, blieb Bernard stehen, blickte Cathérine ins Gesicht und fragte plötzlich ernst:
»Wo ist er? Was ist aus ihm geworden?«
Sie erbleichte und sah ihn mit verstörter Miene an.
»Arnaud? Aber … wißt Ihr es denn nicht? Er ist nicht mehr …«
»Das glaube ich nicht!« erwiderte er mit einer heftigen Bewegung, die das unheilvolle, einen Augenblick heraufbeschworene Bild verscheuchte. »In Cariât haben sich Dinge ereignet, die ich nicht verstehe. Hugh Kennedy, den ich gesprochen habe, ist stumm wie ein Fisch, und jeder hier schwört, Arnaud sei tot. Aber ich, ich bin vom Gegenteil überzeugt. Sagt mir die Wahrheit, Cathérine, Ihr schuldet sie mir!«
Sie schüttelte traurig den Kopf, schob mechanisch mit dem Finger den schwarzen Flor zurück, der ihre Wange gestreift hatte.
»Es ist eine furchtbare Wahrheit, Bernard, schlimmer als der Tod … Ich schulde sie Euch natürlich, und trotzdem wünschte ich, Ihr würdet mich nicht danach fragen. Sie ist so grausam. Wisset also, daß mein Gatte für die ganze Welt tot ist!«
»Für die ganze Welt, aber nicht für mich! Cathérine, mir geht es wie Euch, es sind nur einige Tage her, seit ich wieder an diesem Hof bin. Vorher habe ich nördlich der Seine Krieg geführt, mit La Hire und Xaintrailles. Auch sie weigern sich, an diesen unerklärlichen, unaufgeklärten Tod Montsalvys zu glauben.«
»Wie kommt es, daß sie nicht hier sind?« fragte Cathérine in dem Bestreben, vom Thema abzuschweifen. »Ich hoffte, sie wiederzusehen!«
Aber der Graf de Pardiac ließ sich nicht ablenken. Er antwortete kurz:
»Sie kämpfen gegen Robert Willoughby an der Oise. Wenn ich nicht bei ihnen gewesen wäre, wäre ich nach Carlat zurückgekehrt. Ich bin der Lehnsherr dort, erinnert Euch, und ich hätte den Leuten des Schlosses sehr wohl die Wahrheit entreißen können, und sei es durch die Folter.«
»Die Folter, die Folter! Ihr kennt also nichts anderes als dieses entsetzliche Mittel?« entgegnete Cathérine mit
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