Cathérine de Montsalvy
sich von ihm abwenden, ihn vergessen zu können, aber nun stellte er sich von neuem, unglaublich gegenwärtig, zwischen sie und den Mann, den zu lieben sie sich eingebildet hatte. Als alles gesagt war, bohrte sie ihren veilchenblauen Blick in den Pierres.
»Das ist es! Jetzt wißt Ihr alles … Ihr wißt außerdem, daß Ihr einen großen Fehler begangen habt, als Ihr zu dieser armen Frau von Heirat spracht … aber daran bin ich ganz allein schuld. Ich hätte Euch nicht die geringsten Hoffnungen machen dürfen!«
Er wandte sich ab, zog mechanisch die rote Decke um die Lenden zusammen, die ihm wie zum Hohn hinunterzugleiten drohte, was ihm etwas Rührendes gab. Plötzlich schien er um zehn Jahre gealtert zu sein.
»Es ist mir zu spät klargeworden, Cathérine, und ich bedaure es … Das ist eine abscheuliche Geschichte! Aber ich wage, Euch zu sagen, daß dies nichts an meinem Entschluß ändert, Euch früher oder später zu heiraten … Meine Kleine … Ich werde so lange, wie es sein muß, auf Euch warten!«
»Meine Kleine!« murmelte sie. »So hat er mich genannt … Und er hat es so gut gesagt!«
Er richtete sich trotzig auf bei diesem Vergleich, der ihm zu seinem Nachteil auszufallen schien.
»Ich sage es von ganzem Herzen, Cathérine«, erklärte er in beleidigtem Ton. »Wacht auf! Ihr habt entsetzlich gelitten, aber Ihr seid jung und lebenslustig. Ihr habt Euren Gatten geliebt, wie man nur lieben kann. Aber Ihr könnt nichts mehr für ihn tun … und Ihr liebt mich!«
Worauf Cathérine zum zweitenmal mit derselben Bestimmtheit antwortete:
»Nein!«
Und als er mit verzerrtem Gesicht und einem leisen Zornesfunkeln in den Augen einen Schritt zurücktrat, wiederholte sie: »Nein, Pierre, ich liebte Euch nicht wirklich … Ich habe es einen Augenblick geglaubt, ich gebe es zu, und noch vor einer Stunde glaubte ich's. Aber ohne es zu wollen, habt Ihr mir die Augen geöffnet. Ich habe geglaubt, Euch lieben zu können, ich täuschte mich … Niemals werde ich einen anderen Mann lieben als ihn!«
»Cathérine!« murmelte er schmerzlich.
»Ihr könnt mich nicht verstehen, Pierre. Ich habe immer nur ihn geliebt, nur für ihn und durch ihn geatmet … Ich bin Fleisch von seinem Fleisch, und was immer ihm zustoßen wird, wie sehr die verfluchte Krankheit ihn auch verwüsten mag, er wird für mich stets der Unvergleichliche bleiben … der einzige Mann auf der Welt! Meine alte Sara, die mich heute morgen Euretwegen verlassen hat, hatte sich nicht getäuscht. Ich gehöre Arnaud, ihm allein … Solange noch ein Atemzug in mir lebt, wird es so sein.«
Es folgte Stille. Pierre hatte sich von ihr entfernt und trat ans Fenster. Die Sonne ging jetzt unter, das goldene Licht wurde allmählich violett. Von jenseits des Flusses erklang ein Jagdhorn, dann ein zweites, denen das Gebell einer Meute antwortete.
»Der König!« sagte Pierre mechanisch. »Er kommt zurück …«
Seine Stimme hatte einen brüchigen Klang, der Cathérine zusammenfahren ließ. Sie wandte sich ihm zu. Er sah sie nicht an … Aufrecht vor dem Fenster stehend, gegen dessen Helligkeit sich seine kräftige Gestalt scharf umrissen abhob, rührte er sich nicht. Den Kopf gesenkt, schien er nachzudenken, doch plötzlich sah Cathérine seine Schultern beben. Sie begriff, daß er weinte.
Tiefes Mitleid bemächtigte sich ihrer. Zögernd näherte sie sich ihm und hob die Hand, um sie dem jungen Mann auf die Schulter zu legen, wagte es aber nicht.
»Pierre«, murmelte sie, »ich möchte Euch keinen Schmerz zufügen.«
»Ihr könnt nichts dafür!« erwiderte er hart. Wieder breitete sich Stille über sie, dann, immer noch ohne sich umzuwenden, fragte er:
»Was werdet Ihr tun?«
»Nach Hause reisen!« antwortete sie ohne Zögern. »Nach Hause und ihnen allen sagen, daß ich mich nicht geändert habe, daß ich immer noch ›seine‹ Frau bin …«
»Und dann?« fragte er bitter. »Werdet Ihr Euch in Eure Berge einschließen, um auf den Tod zu warten?«
»Nein … Dann werde ich Arnaud aus dieser grauenhaften Leprastation herausholen, in die ich ihn habe gehen lassen müssen, werde ihn an einen zurückgezogenen, ruhigen Ort bringen und bei ihm bleiben, bis …«
Ein kalter Schauer schüttelte Brézé. Er drehte sich brüsk um und zeigte der jungen Frau sein verwüstetes Gesicht:
»Das könnt Ihr nicht tun! … Ihr habt einen Sohn, Ihr habt nicht das Recht, Selbstmord zu begehen, besonders nicht auf diese entsetzliche Art!«
»Das Leben
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