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Cathérine de Montsalvy

Titel: Cathérine de Montsalvy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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Fingerspitzen zu berühren gewagt, weil sie sich vor der Botschaft fürchtete, deren Inhalt sie schon erriet. Die wenigen, von Sara in großen, ungelenken Buchstaben hingekritzelten Worte hatten sie kaum überrascht: »Ich kehre nach Montsalvy zurück … Du brauchst mich nicht mehr …«
    Der Schmerz, der sie durchzuckt hatte, war so grausam gewesen, daß sie sich mit geschlossenen Augen an die Wand hatte lehnen müssen, um sich zu beruhigen. Aber unter den geschlossenen Lidern waren Tränen hervorgequollen, brennend heiß, drängend … Wie einsam sie sich plötzlich fühlte, wie verlassen … fast mißachtet! Gestern hatte sie den giftigen, von Geringschätzung geladenen Blick des Grafen de Pardiac ertragen müssen. Und nun, an diesem Morgen, war Sara geflohen, als ob mit einem einzigen Schlag das Band, das sie aneinanderkettete, durchschnitten worden wäre … Dieses Band, das seine Wurzeln, wie Cathérine jetzt begriff, tief in ihrem Herzen hatte. Mit diesem Bruch war ein Stück von ihr abgetrennt worden … ein Stück, das sehr wohl die Achtung vor sich selbst sein konnte!
    Ihre erste Reaktion war es gewesen, aus dem Zimmer zu stürzen. Sie wollte Sara verfolgen und, wenn nötig, mit Gewalt zurückbringen lassen. Sie mußte am frühen Morgen geflohen sein, bei Öffnung der Schloßportale, konnte also noch keine große Wegstrecke hinter sich gebracht haben. Doch dann besann sich Cathérine. Die Soldaten des Königs einer solchen Frau auf die Spur hetzen wie einem Verbrecher? Das konnte sie ihr nicht antun. Saras Stolz würde es ihr nie verzeihen, und nichts würde sich zwischen ihnen wieder einrenken. Die einzige Lösung war, sich selbst nach ihr auf die Suche zu machen … Sie war dazu entschlossen.
    Warum hatte nur in dem Augenblick, als sie sich eben fertig angezogen hatte, ein Page an ihre Tür klopfen müssen, der, das Knie beugend, ihr eine neue Botschaft überbrachte … eine Botschaft diesmal von Pierre?
    »Wenn Ihr mich ein wenig liebt, meine Vielgeliebte, dann kommt … kommt mich heute nachmittag besuchen. Ich werde alle wegschicken … Aber kommt! Mein Fieber nach Euch verzehrt mich mehr, als meine Wunde schmerzt. Ich erwarte Euch … Schlagt mir die Bitte nicht ab!«
    Die Worte entflammten ihre Augen wie am Abend zuvor der Atem des jungen Mannes ihre Lippen. Ein heftiges Verlangen überkam sie, sofort zu ihm zu eilen und in seinen Armen zu weinen. Sie unterdrückte es, aber der Zauber des Briefchens hatte gewirkt. Cathérine hatte nicht mehr den Wunsch, Sara schleunigst nachzujagen, und bot alle möglichen Vernunftgründe zu ihrer Entschuldigung auf … Nach allem floh ihre alte Freundin nicht ans Ende der Welt, wo sie sie niemals wiederfinden würde. Ihr Ziel war lediglich Montsalvy … Ihre Verstimmung würde sich eines Tages schon wieder einrenken. Und wenn sie Sara nachliefe, würde sich die Gute natürlicherweise sehr wichtig vorkommen, während sie selbst sich unnötig kleiner machte. Dasselbe Gefühl, das sie abends zuvor daran gehindert hatte, an die Tür zu klopfen, hielt sie jetzt zurück, ein Pferd satteln zu lassen.
    Um die Wahrheit zu sagen, vermied es Cathérine, sich allzu genau zu prüfen. Unbewußt war sie keineswegs stolz auf sich, aber je mehr ihre wahre Natur protestierte, desto mehr versteifte sie sich in ihre Auflehnung. Das Lächeln Pierres hatte ihr eine Binde vor die Augen gelegt. Er repräsentierte etwas, wovon sie glaubte, daß es ihr nie mehr widerfahren könnte: Liebe, Genuß, das süße Gefühl, sich anbeten zu lassen, in einer Welt ohne Leiden angenehm zu leben, kurz und gut, alles, was zum Erbe der frühen Jugend gehörte. Sie war wie die vom glitzernden Spiegel faszinierte Lerche. Ihre Augen wollten, konnten nichts anderes mehr sehen …
    Auf der Schwelle des Turms, in dem Brézé logierte, erwartete sie derselbe Page wie am Morgen, um sie zu seinem Herrn zu führen. Er grüßte sie mit einer tiefen Verbeugung und entledigte sich dann schweigend seines Auftrags. Eine Tür öffnete sich unter seiner Hand, und Cathérine fand sich ein wenig geblendet in einem von den Strahlen der untergehenden Sonne durchfluteten Zimmer, in dem Pierre auf seinem Bett ausgestreckt lag.
    »Endlich!« rief er, ihr beide Hände entgegenstreckend, während der Page sich diskret zurückzog und die junge Frau aufs Bett zutrat. »Ich habe schon Stunden auf Euch gewartet!«
    »Ich zögerte zu kommen«, murmelte sie, bestürzt, ihn im Bett zu finden. Noch nie war er ihr schöner,

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