Cathérine de Montsalvy
flüsterte ihm ein, daß der Frühling nicht mehr fern sei.
Drittes Kapitel
Als der Morgen angebrochen war, traf man Vorbereitungen zum Aufbruch. Cathérine fühlte sich besser. Das Fieber schien gefallen zu sein. Sie zog aus ihrem Zustand Nutzen, indem sie MacLaren fragte, ob man ihr nicht ein Reitpferd geben könne. Sie fürchtete jetzt die körperliche Nähe des jungen Schotten während eines langen Rittes. Der Leutnant nahm ihre Bitte mit eisiger Miene auf.
»Wo soll ich ein Reitpferd hernehmen? Ich habe Eurem Normannen das Pferd gegeben, das Eurem Knappen Fortunat diente, nach Montsalvy zu gelangen. Der Mönch und Sara reiten auf der Kruppe der Pferde zweier meiner Männer. Ich kann nicht noch einem anderen das Pferd wegnehmen und einem weiteren Streitroß doppelte Last auferlegen, nur um Euch zu gestatten, Euch nach Belieben im Sattel zu tummeln. Ist es Euch denn so unangenehm, mit mir zu reiten?«
»Nein«, erwiderte sie etwas zu schnell. »Nein … bestimmt nicht … aber ich dachte …«
Er beugte sich ein wenig vor, um zu verhindern, daß jemand hörte, was er sagen würde:
»Ihr habt einfach Angst, weil Ihr wißt, daß Ihr für mich keine mit Schleiern drapierte Statue seid, die man nur aus der Ferne betrachtet, ohne zu wagen, sich ihr zu nähern, sondern eine Frau aus Fleisch und Blut, die man begehren und der man es sogar ohne Furcht gestehen kann!«
Die schönen Lippen der jungen Frau bogen sich zu einem verächtlichen Lächeln herab, doch ihre Wangen waren merkwürdig gerötet.
»Schmeichelt Euch nicht, Messire, daß ich Eurer Gnade ausgeliefert sei, weil ich schwach und verwundet und fast schutzlos bin. Wenn Ihr damit andeuten wollt, daß Eure Berührung mir etwas ausmachte, dann muß ich Euch enttäuschen, wie Ihr's verdient. In den Sattel also, wenn's beliebt!«
Mit einem Schulterzucken und einem spöttischen Blick schwang er sich aufs Pferd und streckte dann Cathérine die Hand hin, um ihr hinaufzuhelfen. Nachdem sie ihren Platz hinter ihm eingenommen hatte, wollte er den Sattelgurt wieder anschnallen, aber sie weigerte sich.
»Ich bin jetzt viel kräftiger. Ich werde mich aufrecht halten können. Es ist nicht das erstemal, daß ich reite, Messire Ian!«
Er bestand nicht darauf und gab das Zeichen zum Aufbruch. Den ganzen langen Tag verlief der Ritt ohne Zwischenfall. Es war stets die gleiche Einöde, die gleiche gequälte Landschaft. Beim Anblick Bewaffneter flohen die wenigen Bauern, die man traf. Der Krieg hatte diese armen Menschen so schwer getroffen, sie waren so oft gebrandschatzt und ausgeplündert worden, hatten so viel Tränen und Blut vergossen, daß sie sich nicht einmal mehr die Mühe machten herauszufinden, welcher Partei die angehörten, die hier unvermutet auftauchten. Freunde und Feinde waren gleichermaßen unheilvoll, gleich grausam. Der Anblick einer in der Sonne blitzenden Lanze genügte, sie sofort die Türen schließen und die wenigen Fenster verbarrikadieren zu lassen. Man ahnte hinter den stummen Wänden den angehaltenen Atem, das wie rasend klopfende Herz, den Angstschweiß, und Cathérine konnte sich eines Gefühls der Verlegenheit, eines fast körperlich spürbaren Unbehagens nicht erwehren.
Das Pferd, das sie und MacLaren trug, war ein kräftiger Rotschimmel, ein richtiges Schlachtroß, für harte Schläge und den Kampf geschaffen, nicht für Schnelligkeit, nicht für die Flucht durch Wälder oder den langen Galopp über kahle Hochebenen, von Zweigen und Ästen gepeitscht oder vom wirbelnden Wind getrieben. Es war nicht Morgane!
Als sie die kleine Stute in ihrer Erinnerung wachrief, zog sich ihr Herz zusammen. Sie wischte sich sogar zornig eine Träne ab. Albern war sie, sich derart an ein Tier zu binden! Morgane hatte ihretwegen die Ställe Gilles de Rais' verlassen und würde sie ebenso ungeniert für andere Herren verlassen … Trotzdem war diese Vorstellung Cathérine gräßlich. Als sie von Carlat aufgebrochen war, hatte sie Kennedy anbefohlen, auf Morgane aufzupassen; aber würde der schottische Feldhauptmann nichts Besseres zu tun haben, als sich um eine Stute zu kümmern, und sei sie noch so rassig? Von Morgane schweiften Cathérines Gedanken wieder zu Michel, dann zu Arnaud, und der Gram überfiel sie von neuem. Sie hatte sich nie mehr aus Carlat wegrühren wollen, hatte die immer gleichen Jahre an sich vorüberfließen lassen wollen, bis der Tod käme, doch offenbar hatte das Schicksal es anders bestimmt. Für ihren Sohn mußte sie den
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