Cathérine de Montsalvy
reine Sache zu sein schien. Die anderen hatten nicht das Recht, daran zu rühren, nicht das Recht, sich einzumischen. Alles mußte dem Schutz einer Liebe wie dieser geopfert werden …«
»Und was bleibt mir?« rief Cathérine, plötzlich außer sich. »Ich bin allein, immer und ewig allein, ich habe keine Liebe mehr, keinen Gatten mehr … Vor kurzem erst hat er mich noch zurückgestoßen.«
»Obwohl er sich danach sehnte, Euch die Arme entgegenzustrecken! Er liebt nur Euch, genügend jedenfalls, um sich zu weigern, Euch bei lebendigem Leibe verfaulen zu sehen, wie es ihm beschieden ist. Ihr mit Eurem armen, kleinen Frauenverstand habt nur die Bewegung gesehen: Er hat Euch zurückgestoßen! Was habt Ihr also getan? Ihr habt Euch in die Arme des Erstbesten geworfen, und nur aus einem einzigen Grund: Der Frühling kommt, die Tiere werden läufig, und Ihr seid wie sie. Aber wenn Ihr schon einen Mann brauchtet, nichts als einen Mann, warum habt Ihr diesen Fremden mit den eisigen Augen gewählt? Warum nicht mich?«
Unter der Faust des Normannen, die auf sie einhämmerte, hallte seine Brust gleich einer Trommel wider, und seine Stimme grollte wie Donnerrollen. Cathérine war jetzt ernüchtert, ihre Gelassenheit war zurückgekehrt, und sie mußte sich offen eingestehen, daß sie nicht begriff, was sie soeben in die Arme des Schotten getrieben hatte. Im tiefsten Innern gab sie Gauthier recht. Sie schämte sich wie noch nie, verstand aber nur zu gut den trüben Glanz, der in den grauen Augen des Normannen aufgeflammt war. Gleich würde er, ohne sich um den Mann zu kümmern, den er eben getötet hatte, sich auf sie werfen. Nach allem, was er gesehen hatte, würde nichts ihn mehr zurückhalten. In seinem »Warum nicht mich?« lag eine Welt von Zorn, von Rachsucht, von enttäuschter Liebe und Verachtung. Cathérine war ihm nicht mehr heilig. Sie war nichts weiter als eine Frau, die man zu lange begehrt hatte.
Das konvulsivische Zittern, das sich ihrer bemächtigte, unterdrückend, richtete die junge Frau ihre veilchenfarbenen Augen fest auf den Riesen.
»Geh«, sagte sie kalt. »Ich werfe dich hinaus!«
Gauthier brach in ein wildes Gelächter aus, das seine kräftigen weißen Zähne entblößte.
»Ihr werft mich hinaus? Vielleicht! Das ist Euer gutes Recht nach allem! Aber vorher …«
Cathérine schob sich bis zur Wand zurück, um dem Ansturm, der kommen würde, besser widerstehen zu können, aber genau in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und Sara trat herein. Mit einem schnellen Blick umfing sie die ganze Szene, sah Cathérine an die Wand gedrückt, Gauthier sprungbereit und zwischen beiden die blutende Leiche MacLarens, das Bett gleich einem tragischen menschlichen Kreuz versperrend.
»Herr des Himmels!« rief sie aus. »Was ging hier vor?«
Cathérines bedrückter Brust entrang sich ein tiefer Seufzer. Die dralle Gestalt der Zigeunerin hatte die unheilvolle Atmosphäre aus dem Zimmer verjagt. Die Dämonen entflohen und gaben der kalten, nüchternen Wirklichkeit den Weg frei … Mit ruhiger Stimme, ohne jeden Versuch zu bemänteln, was an ihrem Benehmen tadelnswert gewesen sein könnte, erzählte Cathérine, wie Gauthier den Schotten getötet hatte. Währenddessen hatte sich der Normanne, dessen Wut nun auch abgeklungen war, auf das untere Ende des Bettes sinken lassen, den Rücken seinem Opfer zugewandt. Den Kopf in die Hände vergraben, schien er an allem, was folgen mochte, uninteressiert. In schweigender und unbewußter Übereinstimmung überließen er und Cathérine es Sara, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
»Was für eine Patsche!« brummte die Zigeunerin, als die junge Frau ihren Bericht beendet hatte. »Wollt ihr mir vielleicht verraten, wie wir hier herauskommen sollen? Was werden die Schotten sagen, wenn sie den Tod ihres Leutnants entdecken?«
Wie um ihr recht zu geben, erhob sich ein gemeinschaftliches Gebrüll aus dem Erdgeschoß:
»Ian! He, Ian MacLaren! Komm runter, trinken! Zufällig ist der Wein mal nicht zu schlecht! Komm runter!«
»Sie werden heraufkommen«, flüsterte Sara. »Wir müssen die Leiche verschwinden lassen. Wenn sie die Wahrheit erfahren, wird es noch mehr Blutvergießen geben …«
Gauthier rührte sich immer noch nicht, aber Cathérine hatte klar verstanden, was Sara sagen wollte. Die Schotten würden den Kopf Gauthiers fordern. Sie kannten nur das Gesetz der Wiedervergeltung: Auge um Auge, Zahn um Zahn! Ihr Anführer war tot, der Mörder mußte mit
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