Cathérine de Montsalvy
Erschöpfung gebracht. Sie sank wieder schwer auf ihr Lager zurück, von Schauder gepackt. Von unten drangen Geräusche herauf: der Lärm im Gastraum einer Herberge zur Zeit des Abendessens. Die Soldaten setzten sich wahrscheinlich zu Tisch. Aber diese Lebensäußerungen waren Cathérine so fremd und fern, als ob sie in der Tiefe des mächtigsten Berges eingemauert worden wäre. Sie schloß wieder die Augen und stieß einen schmerzlichen Seufzer aus …
Füßescharren und lautes Stimmengewirr von unten verhinderten, daß sie hörte, wie die Tür ganz leise geöffnet wurde. Sie gewahrte nicht, daß eine hohe, schattenhafte Gestalt ihrem Bett zuglitt, zuckte jedoch zusammen, als eine Hand sich auf ihre Schulter legte, während das Holz des Bettes unter dem Druck eines Knies ächzte. Als sie die Augen aufschlug, sah sie, daß ein Mann sich über sie beugte und daß dieser Mann kein anderer als Ian MacLaren war. Aber sie war nicht besonders überrascht darüber. Im Grunde konnte sie in ihrem jetzigen Zustand äußerster Entkräftung nichts mehr erstaunen, nichts mehr treffen.
»Ihr schlaft nicht, nicht wahr?« fragte der Schotte. »Ihr gefallt Euch darin zu leiden, Euch dummerweise zu quälen …«
In der Stimme des jungen Mannes schwang zunehmender Zorn mit. Cathérine bemerkte seine Verbitterung, versuchte aber nicht, sie sich zu erklären.
»Was kann Euch das ausmachen?« fragte sie.
»Was mir das ausmacht? Ich habe jetzt schon viele Monate beobachtet, wie Ihr lebt. Oh, ganz von weitem! Habt Ihr jemals auch nur im geringsten einem von uns Beachtung geschenkt, ausgenommen vielleicht unserem Hauptmann Kennedy, weil Ihr ihn braucht? Wir wissen, was Ihr alles gelitten habt, aber in unserem Land im Norden hält man sich nicht bei unfruchtbarem Jammern auf. Das Leben bei uns ist zu beschwerlich, als daß man es mit Tränen und Seufzern vergeudete.«
»Was soll das alles? Sagt, was Ihr zu sagen habt, aber sagt es klar und deutlich. Ich bin todmüde …«
»Todmüde? Wer ist das nicht in diesen Zeiten, in denen wir leben? Warum seid Ihr nicht wie irgendeine andere Frau? Glaubt Ihr, Ihr seid die einzige, die auf dieser Erde leidet, oder ist es wahrhaftig das einzige, wozu Ihr fähig seid: Euch wie ein furchtsames Tier in eine Ecke zu verkriechen und zu weinen, bis zur Verdummung zu weinen, bis Ihr vergeßt, wer Ihr seid, ja sogar vergeßt, daß Ihr ein lebendes Wesen seid?«
Die harte Stimme, verächtlich und doch warmherzig, durchstieß den dichten, schmerzhaften, aber schützenden Nebel, in den Cathérine sich hüllte. Sie konnte nicht übergehen, was er sagte, weil sie im Grunde ihres Wesens dunkel fühlte, daß er recht hatte.
»Auch bei uns sterben die Menschen, schnell oder langsam, die Frauen leiden in ihrem Herzen und in ihrem Fleisch, aber keine hat Zeit, ihre Leiden des langen und breiten auszukosten. Das Land ist zu rauh, das Leben, das einfache Leben ist ein täglicher Kampf, und man kann sich den Luxus von Tränen und Seufzern nicht leisten.«
Jähe Empörung ließ Cathérine emporfahren. Sie setzte sich auf, hielt sich Laken und Decke vor die Brust.
»Und? Worauf wollt Ihr letzten Endes hinaus? Warum kommt Ihr hierher, um mich zu quälen? Könnt Ihr mich nicht in Frieden lassen?«
Über das scharfe Gesicht MacLarens huschte sein spöttisches Lächeln.
»Endlich reagiert Ihr! Das wollte ich … und noch etwas anderes.«
»Was?«
»Das …«
Ehe sie sich's versah, hatte er sie in die Arme genommen. Sie konnte sich nicht rühren, während eine Hand ihr sanft über die Haare strich und ihren Kopf zurückbog. Als Ian sich anschickte, sie zu küssen, wollte sie sich instinktiv wehren, wollte sie ihn zurückstoßen. Vergebliches Bemühen: Er hielt sie fest. Und dann hatte sie keine Kraft mehr. Und schließlich schlich sich wider ihren Willen ein heimtückisches Gefühl des Vergnügens bei ihr ein, gleich dem, das sie empfunden, als er ihre Wunde verbunden hatte. Die Lippen des jungen Mannes waren zart, und die Umklammerung seiner Arme hatte etwas Beruhigendes. Cathérine hörte plötzlich auf zu denken, um sich ganz dem weiblichen Instinkt, so alt wie die Welt, hinzugeben, der sie die Berührung mit diesem Jungen angenehm empfinden ließ. Manche Leute trinken, um zu vergessen, aber die Liebkosungen eines Mannes, die Liebe eines Mannes können eine Trunkenheit anderer, ebenso mächtiger Art auslösen, und genau diese Erfahrung war Cathérine im Begriff zu machen …
Als er sie auf die schäbigen
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