Cathérine de Montsalvy
erwiderte Tristan l'Hermite, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen, »weil der Gouverneur auf seiner Seite ist, aber es wäre möglich in einem Schloß, dessen Gouverneur auf unserer Seite steht. In Chinon zum Beispiel, dessen Gouverneur, Messire Raoul de Gaucourt, sich insgeheim dem Herrn Konnetabel angeschlossen hat und ihm sehr ergeben ist.«
Ein eisiges Frösteln glitt Cathérine den Rücken hinunter. Raoul de Gaucourt! Der ehemalige Gouverneur von Orléans, der Mann, der sie einst der Folter unterworfen und zum Galgen verurteilt hatte! Er haßte die Jungfrau von Orléans und hatte sie unerbittlich bekämpft. Was mochte La Trémoille ihm angetan haben, daß er so radikal ins andere Lager übergeschwenkt war? Aber Richemont antwortete seinem Stallmeister unwirsch:
»Wir hätten tatsächlich eine Möglichkeit, wenn man La Trémoille – und den König selbstverständlich – nach Chinon locken könnte. Aber der Großkämmerer mag Chinon nicht. Der Schatten der Jungfrau ist dort noch zu gegenwärtig, und die kleinen Leute der Stadt haben ihr ihre Liebe bewahrt. Der König ist zu leicht beeinflußbar. La Trémoille fürchtet, daß er im Großen Saal noch das Echo der Stimme Johannes hören könnte. Er weiß nicht, daß Gaucourt sich zu uns geschlagen hat, aber er wäre nie einverstanden, den König nach Chinon zu bringen!«
»Trotzdem«, rief Cathérine, »muß er ihn hinbringen! Gibt es denn niemand, der Einfluß auf ihn hat? Es handelt sich doch nur um eine gefühlsmäßige Abneigung, die man überwinden könnte. Jeder Mensch, mich inbegriffen, hat seinen schwachen Punkt, den man nur geschickt auszunutzen braucht. Welches ist der schwache Punkt des Großkämmerers?«
Diesmal kam die Antwort von Ambroise de Lore, einem rothaarigen Mann aus Anjou, der niemals lächelte.
»Er hat zwei: das Gold und die Frauen!« stieß er hervor. »Seinem Durst nach Gold kommt nur noch sein unersättliches Verlangen nach den letzteren gleich. Wenn sich ein schönes Mädchen fände, das sein Blut in Wallung brächte, würde er vielleicht eine Dummheit begehen!«
Während Lore sprach, musterte er Cathérine mit brüsker Unverschämtheit von oben bis unten, so daß ihr das Blut in die Wangen stieg. Sein Vorhaben war so klar, daß plötzliche Empörung der jungen Frau den Atem benahm. Für wen hielt er sie eigentlich, dieser zynische Grandseigneur? Dachte er daran, die Frau Arnaud de Montsalvys La Trémoille ins Bett zu legen? Doch sie enthielt sich der Erwiderung, die ihr schon auf der Zunge lag … Vielleicht war da nach allem doch eine brauchbare Idee? Es war noch immer ein Unterschied, ob man einen Mann betörte oder ob man sich ihm hingab, und wer konnte wissen, ob …
Mit einem wütenden Ausruf schnitt Pierre de Brézé ihr plötzlich den Gedankenfaden ab. Auch er, wie übrigens alle anderen, hatte den Sinn von Lores Worten wohl begriffen und fuhr ihn nun, weiß vor Zorn, an.
»Bist du wahnsinnig? Woran denkst du? Das Unglück einer edlen Dame, so schön sie auch sei, müßte sie gegen gewisse Gedanken in Schutz nehmen. Du verdientest es, daß ich dir deine Unverschämtheit heimzahlte, obgleich du mein Freund bist, denn ich werde nie zulassen …«
»Ruhe, Messire de Brézé!« unterbrach die Königin. »Schließlich hat unser Freund Lore nichts gesagt, worüber Madame de Montsalvy sich gekränkt fühlen könnte. Nur sein Blick war wenig taktvoll. Vergessen wir ihn!«
»Auf jeden Fall«, brummte Richemont, »mißtraut La Trémoille den großen Damen. Sie haben zu flinke Augen, eine zu scharfe Zunge, und außerdem bietet ihr gesellschaftlicher Rang ihnen Vergleichsmöglichkeiten, die nicht zu seinem Vorteil ausfallen. Was er liebt, sind die unzüchtigen Frauen, die mannstollen Mädchen, die vielerlei Liebesspiele gewohnt sind, oder auch schöne Bäuerinnen, die er ganz nach Belieben erniedrigen und quälen kann!«
»Ihr vergeßt die jungen Pagen, Monseigneur«, warf Tristan l'Hermite spöttisch ein, »und noch einiges andere, woran unser Kämmerer sich delektiert. Seit etwa einem Monat hat sich ein Trupp Ägypter oder Zigeuner in den Gräben von Amboise eingerichtet, vom Winter und von der Verwüstung des Landes genötigt, die Nähe der Städte zu suchen. Die Bürger haben Angst vor ihnen, weil sie stehlen, die Zukunft weissagen und die Leute behexen können, aber aus diesem Grunde zeigen sie sich auch großzügig. Die Männer sind Schmiede oder Musiker. Die Mädchen tanzen. Einige sind schön, und La Trémoille
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