Cathérine de Montsalvy
riecht. Mit einer blitzartigen Bewegung stieß sie Cathérine zurück. Ein Schmerzensschrei gellte auf. Dunicha hatte sie in den Arm gebissen und so gezwungen, ihren Griff zu lockern. Sie fand sich auf der Erde liegend wieder, über sich die Zigeunerin. Unwillkürlich packte sie von neuem den bewaffneten Arm, der im Begriff war zuzustoßen, aber sie wußte nur allzu gut, daß die andere ihr überlegen war, daß sie umsonst kämpfte, daß der Tod in weniger als einer Minute kommen würde. Sie konnte ihn klar in dem schon triumphierenden Blick der anderen lesen. Langsam, lachend machte sich die Zigeunerin daran, ihr den Arm umzudrehen, indem sie ihre bewaffnete Hand verlagerte, während sie mit der anderen Cathérine an der Kehle packte und schon die Stelle suchte, wo sie zustoßen würde …
Todespein erfüllte das verwirrte Herz der Unglücklichen. Alles war für sie zu Ende; ihre Kraft war erschöpft, sie konnte nicht mehr. Aus diesem gleichgültigen Kreis der Zuschauer, das wußte sie, würde keine Hilfe kommen. Keine Stimme würde sich erheben, um die Hand Dunichas zurückzuhalten. Sie schloß die Augen.
»Arnaud …«, murmelte sie, »… mein Liebster!«
Ihr Arm krümmte sich schon unter dem Schmerz, als eine herrische Stimme an ihr Ohr drang:
»Trennt diese Frauen! Sofort!«
Cathérine glaubte, die Osterglocken zur Auferstehung läuten zu hören. Ihrer Brust entrang sich ein Seufzer des Dankes, dem gewissermaßen als Echo ein Wutschrei Dunichas folgte, die von zwei Bogenschützen grob von ihrer Gegnerin weggerissen wurde. Zwei andere stellten nicht viel sanfter Cathérine auf die Füße, die kaum an ihr Glück zu glauben vermochte. Die beiden Frauen standen sich nun von Angesicht zu Angesicht gegenüber, diesmal jedoch von den kräftigen Fäusten der Bewaffneten gehalten. Zwischen ihnen, ein verächtliches Lächeln auf den Lippen, stand ein großer, schlanker Mann, prächtig in grünen Samt und schwarzen Brokat gekleidet. Und die Freude erlosch in Cathérines Herzen, während die Sonne, so schien es ihr jedenfalls, sich verdunkelte. Kaltes Grauen lähmte sie, denn die Rettung war noch schlimmer als die Gefahr! Der Mann, der sie gerettet hatte, war Gilles de Rais!
In einer blitzschnellen Vision beschwor ihre Erinnerung die Türme von Champtocé herauf, die düsteren Schrecknisse dieses verfluchten Schlosses, die furchtbare Menschenjagd, der Gauthier um ein Haar zum Opfer gefallen war, den riesigen Scheiterhaufen, den Sara auf Geheiß Gilles de Rais' hatte besteigen sollen, und endlich das in stummer Verzweiflung erstarrte Gesicht des alten Jean de Craon, die herzzerreißende Klage seines Stolzes, seines gedemütigten Herzens, als es offenkundig wurde, was für ein Ungeheuer sein Enkel war …
Cathérine glaubte sich in ihrer miserablen Verkleidung unkenntlich, doch als die schwarzen Augen des Marschalls sich frech und ironisch auf ihr vom Staub beschmutztes Gesicht hefteten, senkte sie den Kopf, als schämte sie sich ihrer halben Nacktheit. Tatsächlich hatte das grobe Hemd bei dem Zweikampf stark gelitten … Indessen wand sich Dunicha unter den Händen der Bogenschützen, und Gilles' Stimme rief:
»Laßt die da gehen, und jagt das Zigeunergesindel mit Peitschenhieben in seine Höhlen zurück!«
»Und diese Frau, Monseigneur?« fragte einer der Männer, die Cathérine hielten. Ihr Herzschlag setzte aus, als die verächtliche Stimme befahl:
»Nehmt sie mit!«
Achtes Kapitel
Die Nacht hatte sich wie ein schwarzer Schleier über das Land gesenkt, als Cathérine sich halb betäubt in einem Gemach des Schloßturms wiederfand, in das die Bogenschützen sie ohne viel Federlesens gestoßen hatten. Sie war von Schrecken übermannt worden, als ihre Wächter sie zu dem in der Mitte des Schlosses aufragenden riesigen Turm geschleppt hatten, der so hoch war, daß man von seiner Spitze aus die Dächer von Tours sehen konnte, denn sie hatte gefürchtet, in eins der abscheulichen Burgverliese geworfen zu werden, die sie in Rouen kennengelernt hatte. Aber nein, der Raum, in dem sie sich befand, war groß und gut eingerichtet. Seine Wände verschwanden unter bestickten Leinenbehängen und orientalischen Seidenteppichen in Dunkelrot und Silber, während überall blaue Kissen verstreut lagen, die sich reizvoll von dem rotgoldenen Wappen der Familie Amboise abhoben, deren Güter vor kurzem durch königliches Dekret enteignet worden waren.
Cathérine widerstand der Versuchung des großen, quadratischen Bettes in
Weitere Kostenlose Bücher