Cathérine de Montsalvy
Schloß von Angers. Einer von ihnen erkannte Euch wieder, nachdem er Euch in Champtocé gesehen hatte. Er ist Euch gefolgt, als Ihr zu Guillaume, dem Maler, gegangen seid. Ich muß sagen, daß dieser scheußliche Biedermann uns allerlei Schwierigkeiten machte, bevor er von Euch und Eurer Maskierung erzählte, obgleich wir alle möglichen Überredungskünste anwandten …«
»Ihr habt ihn also gefoltert … getötet?« rief die junge Frau entsetzt. »Ich hätte Eure Hand gleich erkennen sollen!«
»Ich war's in der Tat. Leider hat er uns den Grund für diese Maskerade nicht anvertraut, trotz unserer Bemühungen.«
»Aus dem einfachen Grunde, weil er ihn nicht kannte!«
»Diesen Schluß hatte auch ich schon gezogen. Ich rechne also damit, daß Ihr ihn mir mitteilt. Nehmt inzwischen davon Kenntnis, daß ich eine Vermutung habe …«
Die über sie gebeugte dunkle Gestalt flößte ihr unerträgliches Unbehagen ein.
Um sich davon zu befreien, stand sie auf, ging auf das geöffnete Fenster zu und lehnte sich daran. Ihr Blick kreuzte den Gilles' und hielt ihn fest.
»Und wozu bin ich Eurer Meinung nach hierhergekommen?«
»Um Euer Vermögen zurückzugewinnen! Das ist ganz legitim und ein Unternehmen, das ich verstehen kann.«
»Mein Vermögen?«
Gilles de Rais blieb keine Zeit zu antworten. Man hatte an die Tür geklopft, die sich sofort öffnete, ohne daß der Besucher auf die Eintrittserlaubnis wartete. Zwei mit Hellebarden bewaffnete Wachen traten ein und nahmen zu beiden Seiten des niedrigen Spitzbogens Aufstellung. Auf der Schwelle erschien sodann eine Persönlichkeit, so dick wie lang, eine wahre Masse von Fett, mit Ellen goldeingefaßten Samts behängt, mit rotem, gedunsenem und arrogantem Gesicht, das ein kurzer brauner Bart zierte.
»Mein Vetter«, rief der Besucher. »Ich komme, mit dir zu Abend zu speisen! Beim König stirbt man geradezu vor Langeweile!«
Unwillkürlich war Cathérine zurückgezuckt, als sie Georges de La Trémoille erkannte! Eine Blutwelle stieg ihr ins Gesicht, freudige Genugtuung, Zorn und Haß zugleich. Sie hatte nicht erwartet, dem Mann, den zu finden sie unter so vielen Beschwerlichkeiten gekommen war, so schnell zu begegnen. Mit wilder Freude stellte sie fest, daß er dicker war als je, daß seine Haut, von ungesundem Fett aufgeschwemmt, gelblich war und daß sein kurzer Atem genügend über seine von Exzessen zerrüttete Gesundheit aussagte. Doch bei weiterer Musterung ihres Feindes sperrte sie, vor Verblüffung stumm, Mund und Nase auf, als sie den bizarren Kopfputz gewahrte, den der Großkämmerer trug. Es war eine Art Goldturban, der seine Allüren eines orientalischen Satrapen noch unterstrich, und in den Falten des Turbans funkelte ein schwarzer Diamant in seinem ganzen Feuer … einzigartig, unnachahmlich und sofort zu erkennen: der schwarze Diamant Garin de Brazeys!
Boden und Wände begannen, sich um Cathérine zu drehen. Sie glaubte, wahnsinnig zu werden. In der dunklen Ecke, in die sie sich zurückgezogen hatte, als sie La Trémoille eintreten sah, suchte sie aufs Geratewohl nach einem Schemel und ließ sich auf ihn sinken, ohne auf einige Sätze zu achten, die die beiden Männer austauschten. Sie fragte sich verzweifelt, wie der fabelhafte Diamant in die Hände des Kämmerers gelangt sein konnte. Sie sah sich noch, wie sie den einzigartigen Stein in der Herberge von Aubusson Jacques Coeur übergab. Was hatte er ihr damals gesagt? Daß er ihn bei einem Juden in Beaucaire verpfänden werde, dessen Namen sie sogar noch behalten hatte: Isaac Abrabanel! Wie konnte dann der Diamant am Turban La Trémoilles funkeln? War Jacques auf dem Weg von Aubusson nach Clermont abgefangen worden? War er in eine Falle geraten? Und wenn er …
Sie wagte nicht einmal, den Gedanken, das verhängnisvolle Wort zu formulieren, aber ein plötzliches Verlangen zu weinen drückte ihr das Herz zusammen. Kein Zweifel – damit der Großkämmerer sich mit dem Juwel schmücken konnte, hatte Jacques Coeur sein Leben opfern müssen. Niemals hätte er aus freien Stücken das ihm von Cathérine anvertraute Gut preisgegeben. Besonders nicht diesem Mann, den er ebenso haßte wie sie …
Einen Augenblick schloß sie die Augen und bemerkte daher nicht, daß La Trémoille, nachdem er sie einen Moment prüfend betrachtet hatte, auf sie zuging. Erschrocken fuhr sie auf, als ein dicker, weicher, mit Ringen überladener Finger ihr Kinn hob.
»Gott! Was für ein schönes Mädchen! Wo hast du dieses
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