Cathérine und die Zeit der Liebe
der Arzt … und untertänige Freund unseres Kalifen, der mich gut behandelt. Indes muß ich dir gestehen, daß die Prinzessin Zobeida, deren Gefangener dein Gatte ist, mich nicht mehr liebt, seitdem ich die Sultanin Amina, die sie haßt, vom Tode errettet habe. Ich würde sogar sagen, daß sie mich verabscheut und daß es nur ihrem ungeheuren Wunsch, dem ›Seigneur Franken‹ zu Gefallen zu sein, zuzuschreiben ist, daß sie mich ihn besuchen ließ. Soviel ist jedenfalls sicher: Ich habe mich eine gute Stunde lang mit Messire Arnaud unterhalten können.«
»Ihr sagtet, er sei der Gefangene dieser Frau«, warf Cathérine ein, deren Gesicht ihre Eifersucht nicht mehr verbarg. »Warum diese Notlüge? Warum habt Ihr nicht den richtigen Ausdruck benutzt, Ihr, der Ihr doch den Wert des Wortes so gut kennt? Warum habt Ihr nicht ›ihr Geliebter‹ gesagt?«
»Weil … weil ich nichts weiß!« antwortete Abu ganz einfach. »Das ist das Geheimnis der Nächte der Alhambra … wo viele Diener stumm sind.«
Cathérine zögerte einen Augenblick, dann fragte sie entschlossen:
»Ist er wirklich … von Lepra geheilt?«
»Er hat sie nie gehabt! Es gibt Krankheiten, die diesem verfluchten Leiden ähneln, die eure abendländischen Ärzte aber nicht kennen. Der Arzt der Prinzessin, Hadji Rahim, ist ein frommer Mann, der die große Pilgerfahrt unternommen hat, was ihn meiner Meinung nach jedoch nicht hindert, ein aufgeblasener Esel zu sein. Trotzdem hat er auf den ersten Blick gesehen, daß dein Gatte keine Lepra hatte. Um ganz sicherzugehen, brauchte er nur eine Flamme an Messire Arnauds Arm zu halten. Dein Gatte hat aufgeschrieen, bester Beweis, daß sein Empfindungsvermögen intakt war.«
»Was war denn dann diese seltsame Krankheit? Ich habe mit eigenen Augen die weißlichen Flecken auf seinen Armen gesehen …«
»In der Schule von Salerno nannte der berühmte Trotula diese Krankheit Vitiligo oder Weißfleck. Und ich fürchte sehr, daß es auf euren Krankenstationen zahllose mit diesem im allgemeinen gutartigen Leiden behaftete Unglückliche gibt, das eure unwissenden Ärzte zu oft mit der Lepra verwechseln.«
Es folgte wieder Stille. Unbeweglich wie Statuen, gaben Gauthier und Josse kein Wort von sich. Sie hörten nur zu, hatten beide Ohren gespitzt, warteten darauf, um ihre Meinung befragt zu werden. Diese Stille benutzte Cathérine, um Kräfte zu sammeln. Die Fragen, die sie noch zu stellen hatte, waren die härtesten. Zunächst die erste:
»Warum ist Arnaud dieser Frau gefolgt?« wollte sie mit heiserer Stimme wissen. »Hat er etwas darüber gesagt?«
»Warum folgt der Gefangene dem Sieger?«
»Aber wessen Gefangener ist er? Der Gewalt … oder der Liebe?«
»Der Gewalt, dessen bin ich sicher, denn er hat mir erzählt, daß die Nubier Zobeidas ihn bei Toledo gefangennahmen. Und was die Liebe betrifft, so kann es sein, daß ihre Bande noch zu den Fesseln der Gefangenschaft hinzukamen … aber das hat er mir nicht gesagt. Ich habe da einige Zweifel.«
»Warum?«
»Das hättest du mich nicht fragen sollen. Die Antwort wird dir keine Freude bereiten: weil Arnaud de Montsalvy nicht mehr an die wahre Liebe glaubt. Er sagte, da du die Leidenschaft, die euch beide vereinte, wegen eines anderen vergessen konntest, wird ihm keine andere Frau reine, ehrliche Liebe mehr geben können.«
Cathérine nahm den Schlag tapfer hin. Sie konnte ehrlich mit sich selbst sein, und ihre Tändelei mit Pierre de Brézé war ihrem Gedächtnis noch nicht entschwunden. Oft genug hatte sie sich Vorwürfe gemacht … besonders wegen dieser unglückseligen Nacht im Obstgarten von Chinon, in der Bernard d'Armagnac sie in den Armen des schönen Ritters in flagranti überrascht hatte.
»Das habe ich verdient!« sagte sie einfach. »Aber die Anziehungskraft der Liebe ist groß, und diese Frau … liebt ihn?«
»Leidenschaftlich! Mit einer Raserei, die ihre Umgebung verblüfft und entsetzt. Die Macht des ›Seigneurs Franken‹ über Zobeida ist absolut. Er hat alle Rechte … außer dem, eine andere Frau anzusehen. In diesem Falle wehe der, die ein Lächeln oder ein freundliches Wort von ihm empfängt. Sie wird sofort dem Henker ausgeliefert. An die zehn von ihnen sind schon so gestorben. Auch die Dienerinnen Zobeidas wagen es nicht mehr, die Augen zu dem Mann zu erheben, den sie so heiß liebt. Sie bedienen ihn kniend, aber ebenso dicht verschleiert wie auf der Straße. Denn im Gegensatz zu unserem Brauch, wonach die Männer von den
Weitere Kostenlose Bücher