Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
unwillkürlich fluchte er laut, dann blickte er sich nervös um – in der Nähe blieb jedoch alles ruhig. Vitellius seufzte. Er hatte versagt, und schlimmer noch, es gab sogar Zeugen seines Versagens. Wenn der untersetzte kleine Zenturio und sein altkluger Optio die Legion erreichten, würden sie ihn belasten. Wenn er bloß wüsste, wie er verhindern sollte, dass sie lebend zurückkehrten. Vielleicht hatte die britische Streitmacht, auf die er im Moor gestoßen war, den Wagen ja schon eingeholt und die Eskorte massakriert; Vitellius wäre dies nur recht gewesen. Allerdings wäre es töricht gewesen, sich darauf zu verlassen – dieser Macro besaß genug Schlauheit und Glück, um jede Gefahrensituation zu meistern. Vitellius musste an die überstürzte Flucht aus dem Germanendorf denken und sah wieder den aus einer üblen Speerwunde blutenden Zenturio vor sich. Hätte der verdammte Germane doch bloß besser gezielt.
Während Vitellius über seine Lage nachsann, hatte sich das Pferd wieder erholt und rupfte nun zufrieden das Gras am Rande des Eichenhains. Auf einmal hob es den Kopf und blickte witternd in die Dunkelheit. Es dauerte einen Moment, bis der Tribun auf das Verhalten des Tieres aufmerksam wurde, dann eilte er zu ihm und legte ihm beruhigend die Hand auf den Hals. Das Pferd schreckte vor der Berührung zurück.
»Was hast du denn, Mädel?«
Mit geweiteten Nüstern und zuckenden Ohren wich das Pferd in den Schutz der Bäume zurück. Als Vitellius in die Dunkelheit spähte, bemerkte er eine weit auseinandergezogene Linie von Reitern, die sich dem Wäldchen näherten und kaum mehr hundert Schritte entfernt waren. Mit klopfendem Herzen wollte er aufsitzen, das unruhige Tier aber tänzelte unter lautem Wiehern seitwärts.
»Blödes Vieh!« Vitellius zerrte hektisch an den Zügeln und schwang sich in den Sattel. In der Nähe wurde bereits gerufen, als er dem Pferd die Fersen gab, es herumriss und lospreschte. Von Panik überwältigt schrie Vitellius auf die Stute ein und galoppierte in die Nacht hinaus, sich nur undeutlich bewusst, dass er sich von der Zweiten Legion entfernte. Dann würde er eben versuchen, die Vierzehnte zu erreichen, die bereits auf dem Weg zu Plautius war. Vespasian musste halt sehen, wie er mit dem Gegner allein zurechtkam, und Vitellius würde schon morgen ein Held sein.
Am Fuß der Eiche, unter der sich zuvor der Tribun versteckt hatte, beobachteten die dunklen Gestalten seiner Verfolger, wie er in gestrecktem Galopp in der Dunkelheit verschwand – das Hufgetrappel war deutlich zu hören.
»Beim Jupiter, was war denn das?«, fragte einer der Legionäre. »Ich dachte, das wäre einer von uns.«
»Bestimmt ein blöder Bote«, erwiderte der Dekurio. »Hat sich wahrscheinlich verirrt.«
»Sollen wir ihn verfolgen, Herr?«
Nach kurzem Nachdenken schüttelte der Dekurio den Kopf. »Ach was! Das lohnt doch nicht. Wenn er zu uns gehört, findet er den Weg auch allein.«
»Und wenn das einer von denen war, Herr?«
»Dann ist er eben entkommen. Das Risiko, dass sich einer von uns im Dunkeln bei einer wilden Verfolgungsjagd den Hals bricht, will ich nicht eingehen. Außerdem sollten wir allmählich zur Legion zurückreiten.«
Der Dekurio ließ die Schwadron kehrtmachen und ritt im Schritttempo zurück zur Zweiten Legion, ein wenig besorgt, weil er Vespasian nichts Positives berichten konnte. Von Togudumnus und dessen Streitmacht fehlte nach wie vor jede Spur. Der Dekurio bezweifelte sogar, dass eine feindliche Streitmacht die römische Armee von der Flanke her anzugreifen versuchte. Wahrscheinlich hatte da ein ängstlicher Stabsoffizier überreagiert. Bislang war der Feldzug eine einzige große Enttäuschung gewesen; kein Gegner, keine Beute und keine Weiber. Die Überfahrt hatte sich kaum gelohnt, und er hatte sich bereits damit abgefunden, dass Plautius und die Legionen der Vorhut die Briten schlagen würden, ehe die Zweite überhaupt in Aktion treten konnte.
Schade, dachte er. Eine hübsche kleine Schlacht wäre ihm sehr willkommen gewesen, zumal in Anbetracht der Aufstiegschancen, die sich aufgrund der Ausfälle anschließend geboten hätten. Aber, dachte er mit einem bitteren Seufzer, es würde keine Schlacht geben, denn meilenweit im Umkreis gab es keinen einzigen verdammten Briten.
Für Macro und seine Männer entwickelte sich der nächtliche Ritt zu einer Katastrophe. Die Pferde der Syrer waren leicht und lebhaft, bestens dazu geeignet, am Rande einer Schlacht hin und her zu
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