Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Germanen zumindest die schrecklichen Vergnügungen vorzuenthalten, die sie für Gefangene vorgesehen hatten.
»Sie bewegen sich!«
Die Germanen waren anscheinend ihrer Ungeduld erlegen. Dann würde es also mit einem kurzen Handgemenge auf der Mauer enden und nicht in einer letzten Feldschlacht, dachte Vitellius enttäuscht. Schwerfällig stieg er die Turmtreppe hoch und trat auf die Beobachtungsplattform, auf der Cato mit dem Wachposten stand. Der Optio wirkte verwirrt, und dann gewahrte der Tribun auch den Grund.
Die Germanen bewegten sich nach rechts, doch anstatt aufs Tor vorzurücken, marschierten sie ums Dorf herum, weg von der Straße, die über die Anhöhe zum Wald hinaufführte.
»Was soll das?« meinte Vitellius stirnrunzelnd.
»Herr … Was machen die denn da?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Die Germanen wurden schneller, und die Dörfler vor dem Tor waren bereits bemitleidenswert isoliert. Cato traute seinen Augen nicht. Dann vernahm er ein neues Geräusch, welches das Prasseln der Flammen in ihrem Rücken übertönte. Scharf und klar tönte durch die Morgenluft schneidender Trompetenklang zu ihnen herüber, und auf der Hügelkuppe über dem Dorf erschien eine Reihe Berittener; an ihrer Spitze eine Gruppe von Offizieren mit roten Umhängen und Kammhelmen.
Vespasian hatte mit der Entsendung seiner Soldaten offenbar nicht bis zum Morgengrauen gewartet.
14
Der Sanitäter fluchte unterdrückt, als das Gebimmel der Handglocke durch den Hauptflur des Lazaretts schallte. Der Patient war wirklich unmöglich. Ständig verlangte er, Nachrichten zu überbringen, Speisen und Wein herzuschaffen und sein Bein anders zu betten – um es im nächsten Moment wieder in die Ausgangslage zurückbefördern zu lassen. Wäre er nicht Zenturio und somit ranghöher als alle anderen in der Krankenstation mit Ausnahme des Wundarztes gewesen, hätte der Sanitäter dem Mann die Glocke weggenommen und ihn schmoren lassen. Weil er aber nun Zenturio war, stand ihm ein eigenes Zimmer, ein Glöckchen und die ungeteilte Aufmerksamkeit jedes Sanitäters zu, der das Pech hatte, gerade Dienst zu tun.
Alle anderen Soldaten, die kürzlich bei der Auseinandersetzung mit den Germanen verwundet worden waren, hatte man in Fünfbettzimmern zusammengepfercht, wo sie mit dem Wenigen auskommen mussten, das ihnen zustand; ausreichend zu essen und zu trinken und täglich ein Besuch des Wundarztes oder Sanitäters, der die Verbände wechselte, die Drainage wegschüttete und die Genesung überwachte. Diejenigen, die aufgrund ihrer Verletzungen das Bett nicht verlassen konnten, hatten eine Bettpfanne bekommen, welche die Sanitäter dreimal täglich leerten; die des Zenturios wurde immer dann geleert, wenn er geruhte, sich zu erleichtern.
Seine Beinverletzung war verschmutzt gewesen und hätte womöglich zum Tode geführt, hätte Cato sie nicht rechtzeitig abgebunden. Der Wundarzt hatte erst die durchtrennten Muskelenden und dann die Haut zusammengeflickt – eine Stelle hatte er offen gelassen, um Eiter aus der Wunde abzuleiten. Er hatte dem Zenturio solange Bettruhe verordnet, bis die Wunde gesäubert und auf dem Wege der Heilung wäre. Dann hatte er angesichts des Stroms von Verwünschungen seitens des Zenturios gelassen gelächelt und ihm versichert, dass die Zweite Legion notfalls auch ein paar Wochen ohne ihn auskommen würde. Der Wundarzt hatte einen Sanitäter für ihn abgestellt und den schäumenden Offizier mit einem zufriedenen Kopfnicken anschließend allein gelassen, um sich den vielen anderen Patienten zuzuwenden, die Tribun Vitellius ihm zugeteilt hatte. Die meisten erholten sich innerhalb weniger Tage, andere starben – sehr zum Missfallen des Wundarztes, der jeden Todesfall als persönlichen Affront auffasste -, und die restlichen genasen langsamer, je nach der Schwere ihrer Verletzungen. Er war froh, dass er keine Germanen pflegen musste: Denjenigen, die keinen Selbstmord begangen hatten oder von ihren eigenen Leuten getötet worden waren, hatte man auf Vespasians Befehl den Gnadenstoß versetzt. Daher war die Krankenstation von stinkenden Barbaren verschont geblieben.
Von der Siedlung vor der Festung, die überlaufen war von den Überlebenden des Dorfes, konnte man das nicht sagen. Die Glücklichen unter ihnen hatten bei entfernten Verwandten oder Freunden Unterschlupf gefunden, die sich nun für die selbstgefällige Geringschätzung revanchierten, welche sie hatten über sich ergehen lassen müssen, weil sie die Lebensweise der
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