Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
gewesen und hatte seine Beförderung noch nicht ganz verkraftet. Seine ehemaligen Kameraden neigten dazu, ihn noch immer als Gleichgestellten zu behandeln, war es doch vergleichsweise schwer, jemandem Respekt zu zollen, dem man eben noch dabei zugesehen hatte, wie er sich nach dem Leeren eines Trinkschlauchs mit billigem Wein übergab. Allerdings hatte Macro schon einige Monate vor seiner Beförderung bemerkt gehabt, dass die höheren Offiziere ihn für den nächsten freien Posten vorgesehen hatten, und sich nach Kräften bemüht, die Vertraulichkeiten auf ein Minimum zu beschränken. Denn wog man alle seine Eigenschaften gegeneinander ab, war Macro – wenn es darauf ankam – ein guter, pflichtbewusster Soldat, der jeden Befehl gehorsam ausführte, einer, auf den man im Kampf zählen konnte und der anderen ein Ansporn war.
Auf einmal wurde Macro bewusst, dass er den Soldaten schon eine ganze Weile anstarrte und dass dieser unbehaglich von einem Bein aufs andere trat, wie man es häufig tut, wenn man die schweigende Musterung eines Vorgesetzten über sich ergehen lassen muss. Offiziere waren bisweilen unberechenbar, dachte der Wachposten nervös. Kaum hielten sie ein Zipfelchen Macht in Händen, wussten sie entweder nichts damit anzufangen oder schikanierten einen mit boshaften, sinnlosen Befehlen.
»Wie lauten deine Befehle, Herr?«
»Meine Befehle?« Macro runzelte die Stirn. »Also gut. Ich komme. Geh schon mal zurück zum Tor.«
»Jawohl, Herr.« Der Wachposten machte kehrt, entfernte sich eilends aus dem Latrinentrakt der Unteroffiziere und zog unter den missbilligenden Blicken eines halben Dutzends Zenturionen die Tür hinter sich zu. Es war ungeschriebenes Gesetz, die Offiziere bei ihren Verrichtungen in der Latrine auf gar keinen Fall zu stören. Macro reinigte sich mit dem Stockschwamm, zog die Bundhose hoch, entschuldigte sich bei den anderen Zenturionen und eilte nach draußen.
Es war eine scheußliche Nacht, und der kalte Nordwind wehte aus den germanischen Wäldern Regen heran. Er blies über den Rhein und die Festungsmauern und wurde zwischen den Barackenunterkünften zu eiskalten Böen verdichtet. Macro vermutete, dass seine neuen Kameraden ihn als Vorgesetzten ablehnten, und war entschlossen, sich ihre Anerkennung zu verdienen; allerdings war er dabei nicht sonderlich erfolgreich. Er befehligte achtzig Männer, und die damit einhergehenden Aufgaben erwiesen sich als wahrer Albtraum – er kümmerte sich um die Rationen, den Latrinendienst und die Dienstpläne für die Wachposten, er inspizierte Waffen und Unterkünfte, führte Strafbücher, kümmerte sich um den Nachschub, die Futterbeschaffung für die Maultiere der Abteilung, den Sold, die Rücklagen und die Bestattungen.
Dabei stand ihm allein der Schriftführer der Zenturie zur Seite, ein verhutzelter alter Bursche namens Piso, den Macro hin und wieder für unehrlich und manchmal auch für unfähig hielt. Gewissheit verschaffen konnte er sich nicht, da er fast ein Analphabet war. Zwar kannte er die meisten Buchstaben und Zahlen, doch das war auch schon alles. Und jetzt war er Zenturio, ein Offizier, von dem erwartet wurde, dass er lesen und schreiben konnte. Als der Legat der Beförderung zustimmte, hatte er natürlich angenommen, dass Macro des Lesens und Schreibens mächtig war. Wenn herauskam, dass er auf diesem Gebiet ebenso unkundig war wie ein Bauerssohn aus der Campania, würde man ihn auf der Stelle degradieren. Bislang hatte er das Problem umgangen, indem er den Schriftkram Piso überließ und behauptete, von anderen Pflichten in Anspruch genommen zu sein, war sich jedoch sicher, dass der Schriftführer die Wahrheit ahnte. Kopfschüttelnd stapfte er zum Festungstor und schlang den roten Umhang fester um die Schultern.
Es war eine finstere Nacht, die durch die tief hängenden Wolken noch dunkler wurde; ein sicheres Zeichen, dass Schnee zu erwarten war. Aus der Dunkelheit ringsum drangen die typischen Geräusche der Festung heran, die Macro nun schon seit vierzehn Jahren begleiteten. Maultiere schrien in den Stallungen an der anderen Seite der Unterkünfte, und durch den flackernden Kerzenschein, der aus den Fenstern fiel, wehten die teils gedämpften, teils ausgelassenen Stimmen der Soldaten zu ihm heran. Aus einer Baracke drang brüllendes Gelächter, gefolgt vom Kichern einer Frau. Macro blieb unvermittelt stehen und lauschte. Jemand hatte es geschafft, eine Frau ins Lager zu schmuggeln. Das Weib lachte erneut, sagte mit starkem
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