Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
bleiben können«, knurrte Macro.
Wie sich herausstellte, war Narcissus’ Sänfte ein leichtes Reisemodell mit verhängten Fenstern, das von acht riesigen Nubiern getragen wurde, die sich mit einer mühelosen, auf jahrelange Erfahrung gründenden Geschmeidigkeit bewegten. Die Sänfte nahm ihre Position in der Mitte der Zenturie ein, dann folgten die zwei Kisten, die von den fünf grollenden Legionären geschleppt wurden, welche sich den Sklaventrägern angeschlossen hatten. Diesen bereitete es große Genugtuung, dass sich die Soldaten zu ihnen herablassen mussten. Neben der Sänfte stand der Leibwächter: ein massiger, muskulöser Mann mit einem glänzenden schwarzen Harnisch und einem Kurzschwert in der Scheide. Sein verknoteter Pferdeschwanz, das von Narben übersäte Gesicht und die schwarze Augenklappe kündeten von langer Berufserfahrung. Auf einmal langte eine Hand hinter der Lederklappe hervor und schnalzte mit den Fingern, um den Leibwächter aufmerksam zu machen.
»Du! Polythemus! Binde die Klappen hoch. Wenn ich schon mal hier bin, möchte ich auch etwas sehen von diesem rückständigen Land. In Ordnung, Zenturio! «, rief Narcissus. »Wenn du bereit bist, können wir aufbrechen.«
Macro gab mürrisch den Befehl zum Aufbruch. Die Zenturie setzte sich in Bewegung, marschierte durchs Haupttor von Durocortorum und folgte der schnurgeraden Straße, die durch die Stadt zum gegenüberliegenden Tor und von dort weiter nach Gesoriacum führte. Als sie über eine niedrige Anhöhe kamen, blickte Cato sich um und sah, wie die Vorhut der Legion soeben aus dem Wald auftauchte und sich dem Städtchen näherte, das sie soeben hinter sich gelassen hatten. Voller Bangigkeit dachte er an Lavinia, dann drängte sich die Erinnerung an die nächtlichen Vorgänge in den Vordergrund, und er wandte sich sorgenerfüllt wieder um.
27
Als der Tross und die Nachhut der Zweiten Legion zu Mittag Durocortorum passiert hatten, ordnete Vespasian eine kurze Ruhepause an. Da ein paar Kinder von Einheimischen darauf verfallen waren, die Zugochsen der Artilleriegespanne mit Steinschleudern zu beschießen, waren sie aufgehalten worden. Ein tückisch gezielter Schuss hatte ein überdurchschnittlich großes Tier an den Hoden getroffen, worauf es sich brüllend vor Schmerz und Wut umgedreht hatte. Als es die kleine Schar der Übeltäter sah, stürmte es auf sie zu, wobei der Bolzenwerfer mitsamt dem Wagen auf die Straße kippte. Während das Tier besänftigt und die Straße freigemacht wurde, erging der Befehl zum Anhalten, der nach vorn und nach hinten weitergegeben wurde. Schließlich schob man Wagen und Bolzenwerfer in eine Nebenstraße, wo mehrere Handwerker sich an die Instandsetzung machten, woraufhin die Kolonne sich wieder in Bewegung setzte.
Vespasian, der zurückgeritten war, um den Grund für die Verzögerung ausfindig zu machen, verfluchte die Knappheit an Zugtieren, welche die Verwendung störrischer Ochsen nötig machte. Nachdem ein Treiber den Ochsen beruhigt hatte, wurde er zu einer Gruppe lahmer Tiere geführt, welche die Fleischversorgung der Legion sicherstellten, während der Schuldige eine Tracht Prügel verabreicht bekam, die er sein Lebtag nicht mehr vergessen würde. Nicht, dass das dem innerlich wegen der Verzögerung tobenden Vespasian ein Trost gewesen wäre. Als die Legion zu Mittag Halt machte, hatte sich seine Laune noch immer nicht gebessert. Als er zu Tische saß, gab er Anweisung, die neue Haussklavin seiner Frau zu holen.
Während er an einem zähen alten Huhn kaute, das er mit einem namenlosen Wein aus der Gegend hinunterspülte – wann würden die Gallier endlich die Kunst des Weinbaus lernen? –, wurde Lavinia gebracht. Mit vollem Mund bedeutete er ihr, vor dem Tisch Aufstellung zu nehmen, wo er sie, unablässig weiterkauend, eingehend musterte. Er musste zugeben, dass sie eine richtige Schönheit war. Als Dienstmagd war sie völlig fehl am Platze; in Rom hätte sie als Kurtisane ein hübsches Sümmchen eingebracht.
Nachdem er sich mit einem Schluck den Gaumen freigespült hatte, konnte er endlich anfangen. Er holte das Seidenband aus der Tunika hervor und legte es auf den Tisch. Zu seiner Genugtuung erkannte sie es auf den ersten Blick wieder.
»Das gehört dir?«
»Ja, Herr. Ich dachte schon, ich hätte es verloren.«
»Das hast du wohl auch, denn es war hinter ein Kissen auf meinem Diwan gerutscht.«
Lavinia wollte nach dem Band greifen, ließ die Hand aber wieder sinken, als Vespasian es
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