Cato 03 - Der Zorn des Adlers
erhöhten Tribüne davor. Darauf stand ein riesiger, mit Schnitzereien verzierter Lehnstuhl, an dessen hoher Rückenlehne das größte Hirschgeweih befestigt war, das Cato je gesehen hatte. Vor der Tribüne verglommen die Reste eines Feuers auf einem großen, eisernen Feuerrost. Die Glut färbte die in die Nacht hinaufsteigenden Rauchkräusel schwach orangerot.
Auf der Lichtung rührte sich nichts. Keine der Fackeln, die vor jeder Hütte in einem Eisenhalter steckten, brannte. Und doch schien etwas Bedrohliches über der Lichtung zu liegen, und die kleine Gruppe fühlte sich wie von verborgenen Augen beobachtet. Nicht, dass Cato eine Falle spürte, aber irgendwie kam es ihm so vor, als wäre ihre Anwesenheit von jemandem bemerkt worden, oder von etwas. Lautlos huschten sie zur ersten Hütte und schlüpften hinein. Es war dunkel, zu dunkel, um irgendwelche Einzelheiten zu erkennen, und Macro fluchte leise.
»So geht das nicht, wir brauchen Licht«, flüsterte er.
»Herr, das ist Wahnsinn!«, zischte Cato. »Wir würden sofort entdeckt.«
»Von wem denn? Hier ist keiner. Schon seit Stunden nicht mehr – schau dir doch das Feuer an.«
»Und wo sind sie dann?«
»Frag doch ihn.« Macro deutete mit dem Daumen auf Prasutagus.
Der Brite verstand den Kern der Frage und zuckte die Schultern. »Druiden weg. Alle weg.«
»Dann sollten wir uns Licht besorgen«, beharrte Macro. »Wir müssen sicher sein, dass wir nichts übersehen.«
Er nahm die erstbeste Fackel aus ihrem Halter und stieß sie so heftig in die Glut, dass ein Funkenwirbel aufstob. Die Fackel loderte auf. Macro hob sie vor sich hoch, kehrte zur ersten Hütte zurück und schlüpfte hinein. Das Innere wurde vom tanzenden Fackelschein beleuchtet. Auf der einen Seite standen mehrere mit Decken und Fellen bedeckte Betten. Auf der anderen Seite befand sich ein Schrein, an den zwei kleine Harfen gelehnt waren. Neben einem Waschzuber stapelte sich hölzernes Geschirr.
»Kein Kochfeuer«, überlegte Cato laut.
»Kein Kochen«, erklärte Prasutagus. »Andere bringen Essen für Druide.«
»Sie saugen die einfachen Leute aus, hm?« Cato schüttelte den Kopf. »Wenn es um Priester geht, ist es auf der ganzen Welt dasselbe.«
Macro schnippte mit den Fingern. »Wenn ihr beiden mit eurem fesselnden theologischen Austausch fertig seid, haben wir hier noch einige Hütten zu durchsuchen. Haltet nach allem Ausschau, was auf die Familie des Generals hindeutet. «
Sie gingen jede Hütte gründlich durch, doch sie fanden nur die kärglichen Besitztümer der Druiden und nichts, was darauf hinwies, dass hier jemals Römer gewesen waren.
»Dann versuchen wir es eben mit der großen Hütte«, schlug Cato vor. »Vermutlich wohnt dort das Oberhaupt der Druiden.«
»Einverstanden«, stimmte Macro zu.
» Na !«
Die Römer drehten sich um und sahen Prasutagus an. Er stand wie angewurzelt vor dem Eingang der letzten Hütte, die sie durchsucht hatten, äußerstes Entsetzen im Gesicht. Er schüttelte flehend den Kopf.
»Ich nicht geh rein!«
Macro zuckte die Schultern. »Wie du willst. Komm, Cato.«
Der Eingang der Hütte war so beeindruckend wie die Hütte selbst. Ein riesiger, doppelt mannshoher Türrahmen war von einem Türsturz gekrönt, der ein Relief grässlicher Fratzen zeigte, wild heulend und mit langen, spitzen Zähnen. In ihren Rachen steckten halb verschlungene Männer und Frauen, deren Münder vor Entsetzen aufgerissen waren. Die Bilder schlugen einen so sehr in Bann, dass Macro auf der Schwelle stehen blieb und die Fackel hob, um besser sehen zu können.
»Was ist denn das, verdammt nochmal?«
»Vermutlich das, was die Zukunft für die Menschheit bereithält, wenn Cruach kommt und seinen Anspruch erhebt.«
Macro wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen an Cato. »Meinst du? Ich würde diesem Cruach lieber nicht nachts allein im Dunkeln begegnen.«
»Nein, Herr.«
Direkt hinter dem Eingang hingen einige große Tierfelle, die jede Sicht auf das Innere verwehrten. Macro schob sie zur Seite und trat in das Quartier des obersten Druiden ein. Er hob die Fackel hoch und pfiff durch die Zähne.
»Ein ganz schöner Unterschied.«
Cato nickte und ließ die Augen über die auf dem Boden ausgebreiteten Felle gleiten, über die gepolsterten Betten, den ausladenden Eichentisch und die mit Schnitzereien verzierten Stühle. Auf dem Tisch standen die Überreste eines halb verzehrten Festmahls. Vor jedem Stuhl lag eine große hölzerne Servierplatte, auf der noch
Weitere Kostenlose Bücher