Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Bratenstücke in ihrem erstarrten Saft schwammen. Neben jeder Servierplatte lagen Brotstücke und Käsebrocken. In goldenen Haltern, die auf keltische Art mit verschlungenen Mustern verziert waren, steckten Trinkhörner.
»Anscheinend wissen die Anführer der Druiden zu leben«, meinte Macro lächelnd. »Kein Wunder, dass sie sich vor neugierigen Blicken schützen. Aber warum sind sie in solcher Eile aufgebrochen?«
»Herr!« Macro zeigte auf die hintere Wand der Hütte. Dort stand ein Holzkäfig auf der nackten Erde. Die Tür war geöffnet. Sie gingen hinüber. Abgesehen von einem Nachttopf, der erfreulicherweise abgedeckt war, war das Innere leer. Cato schaute näher hin, beugte sich in den Käfig und griff nach einem Lumpen, der dort auf dem Boden lag.
»Sie werden wohl kaum da drinnen versteckt sein«, meinte Macro.
»Nein, Herr.« Cato nahm das Stück Stoff heraus und betrachtete es im Fackellicht. Es war ein Seidentuch mit besticktem Saum. In der Mitte war es beschmutzt.
»Da hast du ja einen wunderbaren Geruch enthüllt!«, meinte Macro mit gerümpfter Nase. »Und jetzt leg das Ding wieder weg.«
»Herr, das ist der Beweis, nach dem wir gesucht haben. Schau!« Cato hielt seinem Zenturio das Stoffstück hin. »Es ist Seide. Das Muster stammt aus Rom, und dort in der Ecke ist ein kleines Kennzeichen eingestickt.«
Macro betrachtete die hübsche Stickerei: ein Elefantenkopf – das Symbol der Plautii.
»Das ist der Beweis. Sie sind hier. Oder waren zumindest hier. Aber wo sind sie jetzt?«
»Die Druiden müssen sie mitgenommen haben.«
»Vielleicht. Wir sollten die Umgebung aber besser noch nach anderen Hinweisen auf die Familie des Generals absuchen – oder auf das, was mit ihr geschehen ist.«
Vor der Hütte konnte Prasutagus seine Erleichterung nicht verbergen, sich wieder in Gesellschaft von Menschen zu befinden. Macro hielt ihm das Seidentuch hin.
»Sie waren hier.«
» Sa ! Jetzt wir gehen, ja?«
»Nein. Wir suchen weiter. Gibt es einen anderen Ort auf der Insel, wohin man sie verschleppt haben könnte?«
Prasutagus sah ihn verständnislos an. Macro versuchte, sich einfacher auszudrücken.
»Wir suchen weiter. Ein anderer Ort? Ja?«
Prasutagus schien ihn zu verstehen, drehte sich um und deutete auf einen Pfad, der direkt gegenüber dem geweihgeschmückten Stuhl in den Wald führte.
»Da.«
»Was liegt dort?«
Prasutagus antwortete nicht und starrte weiter zum Pfad hinüber. Macro sah, dass er zitterte. Er schüttelte den Krieger an der Schulter. »Was ist dort?«
Endlich riss Prasutagus seinen Blick vom Pfad los und wandte sich ihm mit vor Entsetzen geweiteten Augen zu.
»Cruach.«
»Cruach? Euer finsterer Gott? Verarsch mich nicht.«
»Cruach!«, beharrte Prasutagus. »Heiliger Hain von Cruach. Sein Ort in Welt.«
»Du bist ganz schön gesprächig, wenn du dir in die Hosen machst, nicht wahr?«, meinte Macro lächelnd. »Los, Kumpel. Lass uns ein bisschen mit diesem Cruach plaudern. Mal sehen, aus was er gemacht ist.«
»Ist das denn klug, Herr?«, fragte Cato. »Wir haben das Gesuchte gefunden. Wo immer die Familie des Generals sich jetzt befindet, hier ist sie jedenfalls nicht mehr. Wir sollten verschwinden, bevor wir entdeckt werden.«
»Erst müssen wir uns den Hain ansehen«, erklärte Macro fest. »Also Schluss mit dem Unsinn. Los.«
Mit Macro an der Spitze überquerten die drei Männer die Lichtung und folgten dem Pfad. Die Fackel warf ihr flackerndes Licht vor ihnen her auf die knorrigen Eichenstämme, die zu beiden Seiten den Weg säumten.
»Wie weit ist es bis zum Hain?«, fragte Macro.
» Na «, flüsterte Prasutagus, der sich dicht bei der flackernden Fackel hielt.
Kein Hauch regte sich in den Bäumen; nichts rührte sich, keine Eule und kein anderes Nachtgeschöpf. Es war, als läge die Insel unter einer Art von Bann, dachte Cato. Dann merkte er, dass der Verwesungsgeruch sich wieder bemerkbar machte. Mit jedem Schritt, den sie auf dem Pfad zurücklegten, wurde der süß-faulige Todesgeruch stärker.
»Was war das?«, fragte Macro plötzlich.
»Was war was, Herr?«
»Still! Hör hin!«
Die drei blieben stehen und spitzten die Ohren, um über dem unnatürlich laut wirkenden Geknister und Gezisch der Fackel noch etwas anderes zu erlauschen. Dann hörte Cato, was Macro gemeint hatte: ein leises Stöhnen, das abwechselnd anschwoll und wieder zu einem Gewimmer verebbte. Dann war eine Stimme zu hören, die unverständliche Worte murmelte.
»Zieht die Schwerter«,
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