Cato 03 - Der Zorn des Adlers
nicht übersehen würden, falls er lange genug am Leben blieb, um ihnen Bericht zu erstatten. Er urteilte auch so schon hart genug über sich selbst, da brauchte er nicht auch noch die verächtlichen Seitenblicke der Männer, die seinen Mut in Frage stellen würden.
Stunden vergingen, und als die Sonne den Zenit überschritt, beschloss Cato, dass er sich nun lange genug ausgeruht hatte. Von Prasutagus war noch immer nichts zu sehen, und Cato überkam einen Moment lang Sorge. Doch er konnte nichts tun, um die Rückkehr des Briten zu beschleunigen; er konnte nur hoffen, dass er nicht in die Hände der Druiden gefallen war und dass er etwas Essbares aufgetrieben hatte.
Cato wählte unter den umstehenden Bäumen einen aus, der sich mit zahlreichen Ästen als guter Kletterbaum anbot. Ast um Ast stieg er den Baum hinauf, bis der Stamm so dünn wurde, dass er unter seinem Gewicht schwankte. Den einen Arm um die raue Rinde gelegt, teilte Cato die schlanken Zweige. Er hatte die Orientierung verloren und konnte die Festung zunächst nicht finden. Dann stellte er die Füße um, versuchte es in einer anderen Richtung und blickte auf die Wiesenfläche hinunter, die den Fluss säumte. Er fand die Jochbrücke und folgte mit den Augen dem Weg, der zur Hügelfestung führte.
Erneut war Cato von den hoch aufragenden Festungswällen beeindruckt. Wie viele Männer mussten jahrelang daran gearbeitet haben, dieses riesige Wahrzeichen der Macht der Durotriges zu errichten? Wie viele Männer würde es Rom kosten, die Festung einzunehmen, wenn die Legionen nach Westen losmarschierten? Natürlich würde seine eigene Legion, die Zweite, die Aufgabe erhalten, diese Festungswälle zu erstürmen. Aber der Legion war es nur mit Müh und Not gelungen, die Briten in sorgsam geplanten Schlachten zu bezwingen. Würde sie nun diese großartige Festung einnehmen können? Cato hatte als Kind über Belagerungsstrategien gelesen, seit seinem Eintritt in die Legion aber keine Gelegenheit gehabt, sein Wissen anzuwenden. Die Aussicht, diese hoch aufragenden Verteidigungswälle angreifen zu müssen, erfüllte ihn mit Schrecken.
Unter sich hörte er einen Aufschlag, fuhr zusammen und hätte beinahe den Stamm losgelassen. Cato blickte durch die Zweige hinunter und erblickte Prasutagus, der ihn suchte. Neben dem Baumstamm lag ein totes Schwein mit durchschnittener Kehle.
»Hier oben!«, rief Cato.
Prasutagus legte den Kopf in den Nacken und lachte bei Catos Anblick. Er griff nach den unteren Zweigen.
»Nein. Bleib unten. Ich komm runter.«
Unten angelangt, betrachtete Cato das Schwein zufrieden. »Wo hast du das her?«
»Hä?«
»Wo?« Cato zeigte auf das Schwein.
»Ah!« Prasutagus zeigte den Hügelkamm entlang, deutete mit Gesten ein Tal an und dann noch einen Berg. Dann stockte er, weil er nicht wusste, wie er den nächsten Teil darstellen sollte. Plötzlich fiel ihm das Wort ein: »Bauernhof! «
»Du hast das Schwein von einem Bauernhof gestohlen?«
Prasutagus nickte mit breitem Grinsen.
»Wo war der Bauer?«
Prasutagus strich sich mit der Handkante quer über die Kehle.
»Oh, na großartig. Das hat uns gerade noch gefehlt«, brauste Cato auf.
Prasutagus hob beschwichtigend die Hand.
»Ich verstecke Leiche. Keiner findet.«
»Das höre ich gern. Aber was passiert, wenn er vermisst wird? Was dann, du Dummkopf?«
Prasutagus zuckte die riesigen Schultern, als ginge ihn das nichts an. Er wandte sich dem Schwein zu.
»Wir essen?«
»Ja.« Cato knurrte der Magen. Beide Männer lachten los, als sie das hörten. »Wir essen. Jetzt.«
Mit geübter Hand weidete Prasutagus das Schwein mit seinem Dolch aus und warf die ungenießbaren Organe auf einen Haufen. Er stopfte alles in einen hohlen Baumstamm, hob aber die Leber als Leckerei auf. Nachdem er die blutigen Hände im feuchten Moos abgewischt hatte, machte er sich daran, Brennholz zu sammeln.
»Kein Feuer«, befahl Cato. Er zeigte nach oben und dann zur Festung. »Kein Rauch.«
Prasutagus hatte offensichtlich sein Herz an gegrilltes Schwein gehängt und wehrte sich einen Moment lang gegen die Aussicht, das Fleisch roh essen zu müssen. Dann aber zuckte er die Schultern und zog wieder den Dolch. Er schnitt dem Schwein Fleischstreifen aus der Hüfte und warf einen davon Cato zu. Das rosa Fleisch war blutig und mit einem weißen Häutchen überzogen, doch Cato schlug hungrig die Zähne in das noch warme Stück und zwang sich zu kauen.
Als sie satt waren, schob Prasutagus den Kadaver ebenfalls
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