Cato 03 - Der Zorn des Adlers
nicht.«
Prasutagus war von dem Ausdruck tiefster Verzweiflung in Catos Miene verwirrt.
»Bitte, Prasutagus. Ich habe mein Wort gegeben. Wenn es einen Zugang gibt, musst du mich nur hinführen. Von da aus gehe ich allein.«
Nachdem Boudica übersetzt hatte, dachte Prasutagus einen Moment lang nach, spuckte ins Feuer und nickte dann langsam. Boudica gab seine Antwort wieder:
»Er sagt, möglicherweise gibt es einen Zugang. Ein Abwasserabfluss auf der anderen Seite der Festung. Vielleicht kann man dort einsteigen. Er bringt dich morgen Nacht dorthin, aber mehr tut er nicht. Danach bist du auf dich selbst gestellt. Er wartet draußen, aber sobald er Kampfgeräusche hört, verschwindet er.«
»In Ordnung«, stimmte Cato zu. »Sag ihm, dass ich ihm dankbar bin.«
Prasutagus lachte, als er die Übersetzung hörte. »Er sagt, er will keine Dankbarkeit von einem Mann, den er in den Tod führt.«
»Danke ihm trotzdem.«
Cato wusste, dass sein Plan mehr als gefährlich war. Vielleicht würde man sie beim Überklettern der äußeren Befestigungswälle erwischen, und nach dem Rettungsversuch auf dem Wagen wurde der Abfluss wahrscheinlich bewacht. Wenn er dann aber drinnen war, was dann? Wo würde er in dieser riesigen Festung suchen, in der es von Durotriges und Druiden des Dunklen Mondes wimmelte? Falls er aber trotzdem übersehen wurde und die Frau und den Sohn des Generals fand, konnte er sie dann wirklich ganz auf sich allein gestellt befreien und aus dem Herzen der größten feindlichen Festung in Sicherheit bringen?
Unter normalen Umständen hätte Cato den Gedanken sofort fallen lassen. Aber er hatte Herrin Pomponia sein Wort gegeben. Er hatte das Entsetzen in den Augen des Jungen gesehen. Er war Zeuge der Gräueltaten an Diomedes und dem friedlichen Ort Noviomagus geworden. Das Gesicht des blonden Kindes, das er in den letzten Tagen ein wenig vergessen hatte, trat ihm wieder kalt und flehend vor die Augen. Dann war da noch Macro. Der Zenturio war so gut wie tot und bereit gewesen, sein Leben für die Rettung der Generalsfamilie zu opfern.
Alles, was er gesehen und erfahren hatte, vereinigte sich zu einer überwältigenden moralischen Bürde. Mit Vernunft hatte das nicht das Geringste zu tun. Er stand unter einem weit stärkeren Zwang. Die Welt war völlig irrational, überlegte er düster – es gab nur ein unendliches Meer unvernünftiger innerer Zwänge, die in den Gezeiten trieben und ihr menschliches Treibgut mit sich führten. Er konnte sich einem letzten Versuch, die Frau des Generals und ihren Sohn zu retten, so wenig verweigern, wie er die Hand ausstrecken und den Mond berühren konnte.
Nach dem Aufwachen am nächsten Morgen machte Cato sich für sein Schicksal bereit. Ganz dumpf im Kopf kaute er den letzten Rest des Schweinebratens und stieg dann zur Bergkuppe hinauf. Noch mehr Durotrigeskrieger strömten in die Festung, und er notierte ihre Zahl auf dem kleinen Wachstäfelchen, das er in seinem Proviantbeutel bei sich trug. Falls Cato nicht zurückkehrte, mochte die Information einen gewissen Wert für Vespasian haben. Boudica sollte sie dem Legaten übergeben.
Boudica löste ihn bei der Wache ab, und Prasutagus verschwand ohne Erklärung, sodass Cato sich eine Weile fragte, ob der Iceni-Krieger sich der unmöglichen nächtlichen Aufgabe nicht gewachsen fühlte. Gleichzeitig aber wusste er, dass sein Verdacht nicht stimmte. Prasutagus hatte sich als ein Mann erwiesen, der sein Wort hielt. Wenn er versprochen hatte, ihm den Weg zum Abwasserabfluss der Burg zu zeigen, dann würde er das auch tun.
Kurz bevor die Sonne hinter den Baumwipfeln verschwand und den Wald in Dämmerlicht tauchte, kam Prasutagus endlich zurück, eine mit Wurzeln und Blättern gefüllte Tasche in der Hand. Er entzündete ein kleines Feuer und brachte die Pflanzen in einem flachen Topf zum Kochen, wobei ein Geruch aufstieg, der Cato in der Nase brannte. Boudica gesellte sich zu ihnen.
»Was macht er da?« Cato zeigte mit einem Nicken auf das brodelnde Gebräu.
Sie unterhielt sich kurz mit Prasutagus und antwortete dann: »Er bereitet Farbe zu. Wenn du in die Festung kommst, musst du einem Durotriges-Krieger so ähnlich wie möglich sehen. Prasutagus bemalt dich und bestreicht dir die Haare mit Kalk.«
»Was?«
»Entweder das, oder man wird dich sofort erkennen und töten.«
»Schon gut«, gab Cato nach.
Im Licht und der Wärme des Feuers zog er seine Tunika aus und stand nur im Lendenschurz da, während Prasutagus seinen
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