Cato 03 - Der Zorn des Adlers
geringsten Anzeichen von Gefahr Ausschau.
Erst auf der anderen Seite des zerstörten Tors wurde das volle Ausmaß der Zerstörung deutlich: Der Boden war übersät mit Tonscherben, Kleiderfetzen und den Trümmern all dessen, was einmal das Hab und Gut der Bewohner gewesen war. Catos Männer verteilten sich zu beiden Seiten, und auch Cato schaute sich um, entdeckte aber zu seiner Überraschung keine einzige Leiche und noch nicht einmal den Kadaver eines Tieres. Abgesehen von kleinen Aschefahnen, die der Wind aufwehte, rührte sich nichts in der unheimlichen Stille.
»Verteilt euch!«, befahl Cato, sich seinen Männern zuwendend. »Sucht gründlich. Wir halten nach Überlebenden Ausschau. Erstattet mir Bericht, sobald wir auf dem Dorfplatz angekommen sind!«
Mit gezogenem Schwert arbeiteten die Legionäre sich vorsichtig zwischen den zerstörten Gebäuden hindurch und untersuchten dabei die Trümmerhaufen mit ihren Speerspitzen. Cato sah ihnen kurze Zeit zu und ging dann langsam über den aschebedeckten Weg, der vom Tor ins Herz von Noviomagus führte. Das Fehlen von Leichen verstörte ihn. Er hatte sich auf die Gräuel vorbereitet, die ihn hier erwarten würden, und als diese ausblieben, war das beinahe schlimmer als jedes Schreckensszenario. Er verfluchte seine Phantasie, die ihn wieder einmal mit schrecklichen Vorahnungen erfüllte. Möglicherweise hatten die Plünderer die Siedlung überrumpelt, sie ohne Kampf eingenommen und Menschen und Vieh als Beute mit sich geführt. Das musste gewiss die Antwort sein.
»Optio!«, rief jemand aus der Nähe. »Hier herüber!«
Cato eilte auf den Rufer zu. Nahe den Trümmern eines aus Bruchstein errichteten Stalls stand der Legionär bei einer großen Grube, die mit einem Stück Leder abgedeckt war. Er hatte den einen Zipfel der Abdeckung angehoben und deutete mit dem Speer nach unten.
»Dort, Herr. Schau dir das einmal an.«
Cato trat zu ihm und sah in die Grube hinunter. Sie war etwa zehn Fuß breit und ungefähr mannstief. Die Erde am Rand war lose. Im Dämmerlicht erkannte er getrocknete Tierkeulen, Dutzende Körbe voll Getreide, etwas griechisches Silbergeschirr und ein paar kleinere Holztruhen. Offensichtlich war die Grube erst vor kurzem ausgehoben worden, zweifellos, um dort die Beute zu lagern. Die Plünderer hatten die Grube mit dem Leder abgedeckt, um wilden Tieren den Zugang zu verwehren. Cato legte seinen Schild aus der Hand, stieg zu den Truhen hinunter und klappte den nächstgelegenen Deckel auf. Im Inneren fand er eine Auswahl reich verzierter keltischer Schmiedearbeiten aus Silber und Bronze. Er nahm einen Spiegel zur Hand und bewunderte das fein gearbeitete Spiralmuster auf der Rückseite. Dann legte er den Spiegel wieder in die Truhe zurück und betrachtete die Sammlung von Torquen, Halsbändern, Bechern und anderen Gefäßen, die alle von großer Kunstfertigkeit zeugten. Die Bewohner von Noviomagus hatten wohl nur das wenigste davon selbst verwendet. Es musste sich um Tauschware handeln, die aus dem Handel mit Eingeborenenstämmen stammte und hier den Winter über auf den Transport nach Gallien wartete, wo sich bei den Vertretern der römischen Händler hohe Preise erzielen ließen. Jetzt hatten die Durotriges das geraubte Gut hier versteckt, zweifellos in der Absicht, die Beute auf dem Rückweg von einem Raubzug ins Innere des Atrebates-Gebietes mitzunehmen.
Als Cato die volle Tragweite dieser Vermutung aufging, zitterte er vor Erregung. Er schlug den Deckel der Truhe krachend zu und kletterte aus der Grube heraus.
»Such die anderen, sie sollen sich so schnell wie möglich auf dem Dorfplatz versammeln. Ich gehe voraus und suche den Zenturio. Marsch!«
Cato hastete durch die baufälligen Überreste der ausgebrannten Gebäude, von denen nur noch die dicksten Balken und die rußgeschwärzten Bruchsteinwände standen. Dann hörte er Macro Befehle rufen und folgte seiner Stimme. Als er zwischen zwei etwas größeren Gebäuden auf den Dorfplatz trat, erblickte er Macro und einige seiner Männer, die neben etwas standen, das wie ein etwa zehn Fuß breiter, überdachter Brunnen aussah. Er war mit einer hüfthohen Mauer eingefasst und mit einem kegelförmigen Lederdach bedeckt. Merkwürdigerweise hatten die Plünderer dieses Dach als einzigen Gegenstand im ganzen Dorf unzerstört gelassen.
»Herr!«, rief Cato und rannte auf die Gruppe zu. Macro drehte sich um, einen gequälten Ausdruck im Gesicht. Als er Cato erblickte, richtete er sich auf und trat ihm
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