Cato 03 - Der Zorn des Adlers
kostbar für ein so hemmungsloses Massaker, selbst wenn es um Rache ging. Falls Diomedes wieder auftauchte, würde Hortensius energisch auf Schadenersatz drängen.
Er hob Ruhe gebietend die Hand. »Wir marschieren mit den anderen Gefangenen zur Legion zurück. Es sind zu viele, um sie unter Bewachung loszuschicken – die Kohorte wäre dadurch zu sehr geschwächt. Ohne den Griechen als Vermittler wären wir in den anderen Atrebates-Dörfern, die wir noch besuchen sollten, ohnehin nicht willkommen. Also kehren wir auf direktem Wege zurück.«
Das verstieß gegen die Anordnungen, war aber durch die Lage gerechtfertigt, und Macro nickte zustimmend.
»Also«, fuhr Hortensius fort, »einige von diesen Schweinen konnten zu Pferd entkommen und ihr könnt euch sicher sein, dass sie wie ein geölter Blitz zu ihren sauberen Genossen zurückkehren. Die nächstgelegene Festung der Durotriges liegt einen guten Tagesritt von hier entfernt. Sollte man uns von dort aus verfolgen, dürften wir den Gegner frühestens in einem Tag zu Gesicht bekommen. Nutzen wir diese Zeit. Treibt eure Männer tüchtig an – wir müssen bis heute Abend eine möglichst große Strecke zurücklegen. Irgendwelche Fragen?«
»Was ist mit den Leichen, Herr?«
»Was soll mit ihnen sein, Macro?«
»Lassen wir die einfach liegen?«
»Die Durotriges können sich selbst um ihre Leute kümmern. Für unsere eigenen Gefallenen und die Toten der Einheimischen habe ich Anordnungen getroffen. Die Kavallerieschwadron hat Anweisung, unsere Leute zu den anderen Leichen im Brunnenschacht zu legen, die Grube aufzufüllen und uns dann nachzukommen. Mehr können wir nicht tun. Für eine Verbrennung bleibt uns keine Zeit. Außerdem ziehen die Einheimischen meines Wissens ohnehin die Beerdigung vor.«
Bei dem Gedanken, die Toten der allmählichen Verwesung anheimzugeben, schauderten die Römer zusammen. Das war einer der ekelhafteren Gebräuche der weniger zivilisierten Völkerschaften der Welt. Die Verbrennung dagegen bedeutete ein sauberes Ende der körperlichen Existenz.
»Zurück zu euren Einheiten. Wir brechen sofort auf.«
Am zweiten Tag des Rückmarschs der Kohorte zum Lager der Zweiten Legion war der Himmel klar, und man sah die Sonne ihren flachen Bogen ziehen. Die vergangene Nacht hatten sie in einem hastig errichteten Marschlager verbracht, doch trotz der Erschöpfung nach dem Aufbrechen des gefrorenen Bodens, um den Verteidigungsgraben auszuheben und den inneren Wall aufzuwerfen, hatten Kälte und Angst vor dem Feind die Kohorte am Schlaf gehindert. Sobald der Tag anbrach, gestattete Hortensius keine Ruhepausen mehr, beobachtete die Männer wie ein Falke, stieß auf jeden Legionär nieder, der seinen Schritt verlangsamte, und ging großzügig mit seinem Schlagstock aus Rebenholz um, wenn zusätzliche Ermutigung nötig war. Obwohl die Luft kalt war und der Schnee sich unter ihren Tritten in eine Eisschicht verwandelte, brachen die Männer unter der Bürde ihres Marschgepäcks in Schweiß aus. Die britischen Gefangenen gingen zwar in Ketten, hatten aber keine Last zu tragen und waren damit in der besseren Lage. Ein Gefangener mit Beinverletzung war am Ende des ersten Tages aus der Reihe gefallen. Hortensius stellte sich über ihn und prügelte mit dem Schlagstock auf ihn ein, doch der Mann rollte sich nur noch enger zusammen und stand nicht auf. Mit grimmigem Nicken stieß Hortensius den Schlagstock in die Erde, zog mit einer einzigen, fließenden Bewegung sein Schwert und schnitt dem Briten die Kehle durch. Die Leiche wurde liegen gelassen, während die Kolonne weitermarschierte. Danach fiel kein Gefangener mehr aus der Reihe.
Da es keinerlei Ruhepausen gab, wurde der Weg unter der Last des schweren Marschgepäcks zur Qual. Die Männer zwangen sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und schimpften dabei leise und zunehmend erbittert auf ihre Offiziere. Seit der Nacht vor dem Angriff auf die Durotriges hatten die meisten von ihnen nicht mehr geschlafen. Als die Sonne sich am frühen Nachmittag des zweiten Tages dem schmuddeligen Wintergrau des Horizonts entgegensenkte, fragte Cato sich, wie lange er noch durchhalten würde. Sein Schlüsselbein war inzwischen von der Tragestange wund gerieben, die Augen brannten vor Müdigkeit, und bei jedem Schritt spürte er stechende Schmerzen in den Fußsohlen.
Cato sah sich unter den anderen Legionären seiner Zenturie um und erkannte denselben verbissenen Ausdruck in jedem Gesicht. Selbst wenn Zenturio
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