Cato 03 - Der Zorn des Adlers
sicheren Ort trennte, mit Verzweiflung. Dieselbe Verzweiflung, die in stürmischer See einen Ertrinkenden überkommt, wenn er in der Ferne die Küste erblickt. Kaum hatte er diesen Gedanken gefasst, da unternahmen die Durotriges zu beiden Seiten der Karreeformation einen wütenden Angriff. Lauter denn je krachten die Schilde und klirrten die Waffen. Die römische Formation schwankte, geriet unter der Wucht des Angriffs ins Stocken und brauchte einen Moment, um die Lücken im Schildwall wieder zu schließen.
Sobald Hortensius sich vergewissert hatte, dass seine Kohorte die Stellung hielt, gab er den Befehl, weiter vorzurücken. Die Formation bewegte sich langsam voran, während die rasende Kriegerschar, die weiter auf sie eindrang, abgewehrt wurde. Inzwischen gab es unter den Römern so viele Verwundete, dass in den Wagen, die dicht an dicht gedrängt in der freien Mitte der Formation fuhren, kaum noch Platz war. Gequält sahen die Verletzten zu, wie ihre Kameraden sich in dem ungleichen Kampf so gut wie möglich behaupteten. Bei jedem Stoß der Räder stöhnten und schrien sie auf, doch es fehlte die Zeit, anzuhalten und sich ihrer Wunden anzunehmen. Angesichts der verzweifelten Lage konnte Hortensius kaum einen Mann für Sanitätsdienste entbehren, und so waren nur die schlimmsten Wunden verbunden worden.
Die Sechste Zenturie, die vorn in der Karreeformation marschierte, hatte einen unverstellten Blick auf das Lager der Legion. Für Cato war der Anblick gleichzeitig verlockend und quälend, denn das Schneckentempo der Kohorte vermittelte ihm den Eindruck, dass sie es niemals schaffen würden. Die Durotriges würden die erschöpften Legionäre zerreiben, bevor sie die sicheren Befestigungswälle erreichten.
»Was zum Teufel treiben die da unten?« Beim Anblick der friedlichen Stille im Lager loderten Macros Augen erbittert auf. »Die verdammten Wachtposten sind wohl blind. Warte nur, bis ich die in die Hände kriege …«
Auf einer Seite überholte die schwere Infanterie der Durotriges, die sich nach den wilden Kämpfen der Nacht wieder gesammelt hatte, die Kohorte erneut. Cato konnte nur verzweifelt zusehen, denn die Absicht der Briten war klar. Als sie der Kohorte hundert Schritte voraus waren, schwenkte die feindliche Schar ab, verstellte der römischen Formation den Weg und entfaltete sich rasch zu einer Kampflinie, wobei die Flügel jeweils von einer kleinen Gruppe von Schleuderschützen gebildet wurden. Die feindlichen Krieger blieben stehen und brüllten dem stetig näher rückenden Schildwall ihre Herausforderungen entgegen.
Die ganze Nacht über hatten sich die Legionäre gegen die Durotriges behauptet, doch nun waren sie am Ende ihrer Kraft. Während der letzten drei harten Marschtage hatten sie höchstens eine Stunde geschlafen. Trübe blickten schmerzende Augen aus dreckigen, stoppelbärtigen Gesichtern. Die jüngeren Römer in Catos Alter hatten noch keinen nennenswerten Bartwuchs, doch mit ihren ausgezehrten Gesichtern wirkten auch sie um Jahre gealtert. Die hintere Front und die Seiten der Karreeformation bildeten keine geschlossene Linie mehr, sondern wichen unter dem unnachgiebigen Druck der nicht ganz so erschöpften Feinde zurück, die nun endlich den Sieg witterten. Bald war das Karree kein Karree mehr, sondern ein formloser Haufen von Männern, die ums Überleben kämpften. Rau und heiser erhob sich wieder Zenturio Hortensius’ Stimme über den Kampflärm:
»Sie kommen, Männer! Die Legion kommt uns holen.«
Vorne in der Formation blickte Cato über die Reihen der Briten hinweg – die jetzt kaum noch vierzig Schritte entfernt standen – und erblickte die in der Frühmorgensonne blitzenden Helme der Kohorten, die aus dem Südtor zogen. Doch die Kameraden waren noch Meilen entfernt und würden vielleicht nicht mehr rechtzeitig eintreffen, um die Männer der Vierten zu retten.
»Vorrücken!«, schrie Hortensius. »Bleibt in Bewegung!«
Jeder Schritt verringerte den Abstand zwischen den beiden römischen Kolonnen. Cato biss die Zähne zusammen und hob das Schwert der schweren Infanterie der Durotriges entgegen.
»Achtung!«, schrie Macro. »Schleudergeschosse!«
Die Römer konnten gerade noch rechtzeitig hinter ihren Schilden in Deckung gehen, als die erste Salve von den Flanken der feindlichen Linie heranflog. Mit Gebrüll griffen die Durotriges im Gefolge der Salve an. Die Schützen hatten gut gezielt, wie das scharfe Prasseln und Krachen der Schleudergeschosse in den vorderen Reihen
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