Cato 03 - Der Zorn des Adlers
und empfand Mitgefühl für den General. Dieses Mitgefühl milderte seine Besorgnis über die seelische Verfassung seines Vorgesetzten allerdings nicht im Geringsten.
Vespasian wurde sich plötzlich bewusst, dass der Wachtposten ihn beobachtete.
»Was ist los, Soldat? Hast du noch nie einen General gesehen? «
Der Wächter wurde rot, doch bevor er etwas antworten konnte, schickte Vespasian ihn nach unten, um den wachhabenden Zenturio über das Nahen von General Plautius zu informieren. Die üblichen Formalitäten zum Empfang eines kommandierenden Generals mussten eilig vorbereitet werden. Vespasian blieb im Wachturm, bis der Posten zurückkehrte, und beobachtete die Kolonne, die im Galopp auf das Nordtor zuhielt. Zuvorderst ritt die Leibwache des Generals, gefolgt von Plautius selbst und einer Hand voll Stabsoffizieren. Unter diesen befanden sich außerdem zwei kapuzenverhüllte Gestalten, und die Nachhut wurde von einer Schar von Wächtern gebildet, die links und rechts von fünf auf ihren Pferden festgebundenen Druiden ritten. Der General hatte offensichtlich versucht, die Zweite Legion so schnell wie möglich zu erreichen, denn die Tiere wirkten völlig erschöpft.
Vespasian stieg eilig vom Turm und nahm seinen Platz in der Ehrengarde ein, die sich zu beiden Seiten des Tors aufgestellt hatte. Es machte einen guten Eindruck, wenn er den General persönlich begrüßte. Inzwischen war das Donnern der Hufe unüberhörbar, und Vespasian gab dem Zenturio, der die Ehrengarde kommandierte, einen Wink.
»Macht das Tor auf!«, schrie der Zenturio. Der Balkenriegel wurde aus der Halterung gehoben und an den Rand getragen, worauf man die Flügel des Tors unter lautem Geächze der Angeln so weit wie möglich aufriss. Genau rechtzeitig, denn gleich darauf brachte der vorderste Leibwächter des Generals sein Pferd am Rand des Tors zum Stehen, damit Plautius als Erster ins Lager einreiten konnte. Der von seinem Stab gefolgte General ließ sein Pferd in Schritt fallen, während der wachhabende Zenturio seine Befehle brüllte.
»Ehrengarde … präsentieren!«
Die Legionäre kippten ihre senkrechten Speere mit einem Ruck nach schräg vorn, und der General antwortete mit einem Gruß in Richtung der Hauptquartierszelte, wo die Standarten der Zweiten Legion derzeit in einem Schrein aufbewahrt wurden. Plautius kam neben Vespasian zum Stehen und stieg ab.
»Freut mich, dich zu sehen, General!«, sagte Vespasian lächelnd.
»Vespasian.« Plautius nickte knapp. »Wir müssen sofort miteinander reden.«
»Ja, Herr.«
»Aber sorge bitte erst noch dafür, dass meine Eskorte … und meine Begleiter«, er zeigte auf den Stabsoffizier und die beiden kapuzenverhüllten Gestalten, »… sorge dafür, dass sie sich an einem ruhigen Ort erholen können. Die gefesselten Druiden können bei den Pferden bleiben.«
»Ja, Herr.« Der Legat winkte den wachhabenden Zenturio heran und gab die Anweisungen weiter. Die Pferde keuchten nach dem harten Ritt weithin hörbar durch die geweiteten Nüstern.
Die Eskorte des Generals führte die erschöpften Pferde in Richtung der Ställe, und der wachhabende Offizier geleitete die schlammbespritzten Stabsoffiziere in die Offiziersmesse. Die beiden mit Umhang und Kapuze verhüllten Gestalten folgten den anderen schweigend. Vespasian betrachtete sie neugierig, und Plautius schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln.
»Ich erkläre dir später, wer die beiden sind. Aber jetzt müssen wir als Erstes über meine Frau und meine Kinder sprechen.«
17
Als die erschöpften Männer der Vierten Kohorte das Lager der Zweiten Legion erblickten, brachen sie in spontanen Jubel aus. Vielleicht konnten sie den Durotriges und ihren Druidenführern doch noch entkommen. Gerade einmal eine Marschstunde entfernt lagen die sicheren Befestigungen, wo die albtraumhaften Strapazen, durch die Zenturio Hortensius sie getrieben hatte, ein Ende nehmen würden. Doch so, wie die Römer beim Anblick des Lagers neuen Mut schöpften, wuchs auch die Entschlossenheit des Feindes, die Kohorte auszulöschen, bevor die Kameraden ihr zu Hilfe kamen. Mit wildem Geheul stürmten die Krieger gegen die dicht geschlossenen Reihen der römischen Formation an.
Catos Schild und Schwert waren schon lange eine unerträgliche Bürde, und seine Armmuskeln brannten von der schrecklichen Anstrengung, sie ständig oben zu halten. Auch wenn er genau wie die anderen Männer beim Anblick des Lagers gejubelt hatte, erfüllte ihn die Entfernung, die sie von dem
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