Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Blick zu. Als er seine Bemerkung nicht näher erläuterte, fuhr sie fort: »Wenn es uns gelingt, die Familie des Generals zu finden, wird Prasutagus bei den Römern mehr Einfluss gewinnen als beinahe jeder andere Brite. Und falls Rom die Insel schließlich erobert, muss es die Leute belohnen, die ihm geholfen haben.«
»Diese Leute und die Frauen dieser Leute.«
»Richtig.«
»Ich verstehe. Im letzten Monat hast du dich ganz schön verändert. Ich erkenne dich kaum mehr wieder.«
Sein zynischer Tonfall verletzte Boudica, und sie blickte weg. Auch wenn Macro seine Bemerkung nicht bereute, konnte er doch nicht genug Abneigung gegen Boudica aufbringen, um es zu genießen, wenn er sie beleidigte. Er wünschte sich, irgendeinen Rest des frechen, liebevollen Mädchens finden zu können, in das er sich in Camulodunum verliebt hatte. »Bist du wirklich so kalt?«
»Kalt?« Der Gedanke schien sie zu überraschen. »Nein. Ich bin nicht kalt. Ich mache einfach nur das Beste aus dem, wozu man mich gezwungen hat. Wenn ich ein Mann wäre und Macht hätte, stünden die Dinge ganz anders. Aber ich bin eine Frau, das schwächere Geschlecht, und so muss ich tun, was man von mir verlangt. Eine andere Wahl bleibt mir derzeit nicht.«
Es entstand eine Pause, doch dann nahm Macro seinen Mut zusammen: »Nein, du hattest eine andere Wahl. Du hättest dich für mich entscheiden können.«
Boudica drehte sich um und sah ihn aufmerksam an. »Das meinst du ernst, nicht wahr?«
»Vollkommen.« Macros Herz tat einen Sprung, als er sah, dass Boudica lächelte. Doch dann senkte sie die Augen und schüttelte den Kopf.
»Nein. Das kommt nicht in Frage.«
»Warum nicht?«
»Das wäre kein Leben für mich. Man würde mich aus meinem Stamm ausstoßen. Was, wenn du meiner nach einer Weile überdrüssig würdest? Dann hätte ich gar nichts mehr. Ich weiß, was aus solchen Frauen wird, diesen armseligen Weibern, die der Armee folgen und von den Abfällen der Legion leben, bis irgendeine Krankheit oder ein gewalttätiger Besoffener ihnen den Garaus macht. Würdest du mir so ein Leben wünschen?«
»Natürlich nicht! So wäre ich nicht. Ich würde für dich sorgen.«
»Für mich sorgen? Das klingt nicht gerade reizvoll. Ich wäre entwurzelt und dir in deiner Welt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das könnte ich nicht ertragen. Auch wenn ich einiges über das Leben jenseits des Iceni-Landes gelernt habe, bin ich doch immer noch durch und durch eine Iceni. Und du bist ein Römer. Vielleicht spreche ich deine Sprache recht gut – aber weiter will ich Rom nicht in mich eindringen lassen. Das ist übrigens völlig unzweideutig gemeint.«
Beide lächelten einen Moment lang, dann führte Macro seine raue Soldatenhand an ihre Wange und staunte ein weiteres Mal über ihre zarte Haut. Boudica verharrte bewegungslos. Dann streiften ihre Lippen seine Hand ganz leise in einem sanften Kuss, der ein Prickeln durch Macros Arm jagte. Er beugte sich langsam vor.
Draußen vor der Tür hörte man etwas Schweres zu Boden fallen. Der Ledervorhang wurde beiseite geschlagen. Macro und Boudica fuhren auseinander. Der Zenturio packte sich eine Hand voll Feuerholz, zerbrach es in Stücke und streckte es Boudica hin, die sich wieder an der Feuerstelle zu schaffen machte. Eine dunkle Gestalt verdeckte das durch die Tür einfallende Licht. Macro und Boudica schauten die Silhouette blinzelnd an.
»Prasutagus?«
»Sa!« Er trat in die Hütte hinein, wobei er ein ausgeweidetes Stück Wildbret hinter sich herzog, ein kleines Reh. Licht fiel auf das Gesicht des Iceni-Kriegers und ließ eine ganz leichte Belustigung in seinen Augen erkennen.
23
In den nächsten fünf Tagen drangen sie tiefer ins Gebiet der Durotriges vor, wobei sie nachts vorsichtig die Wege benutzten und tagsüber rasteten. Prasutagus schien unermüdlich und schlief nie mehr als einige wenige Stunden. Er plante jede Etappe so, dass sie in die Nähe eines Dorfes kamen. Dann schlief er bis mittags und schlich sich anschließend in die Ortschaft, um nach einem Hinweis auf die römischen Geiseln Ausschau zu halten. Bei Anbruch der Dämmerung kehrte er mit Fleisch für die anderen zurück, das sie über einem niedrigen Feuer brieten, dicht um die Flammen gekauert, um sich in der bitterkalten Nachtluft zu wärmen. Sobald sie gegessen hatten, löschten sie das Feuer und folgten Prasutagus, der sie auf ausgetretenen Pfaden weiterführte. Jeder Bauernhof und jeder Weiler wurde sorgfältig umgangen, und oft
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