Cato 05 - Beute des Adlers
die entgegengesetzte Richtung zwischen den Hütten hindurch. Die Schreie von Metellus und seinen Männern wurden schwächer und gingen schließlich ganz im Gebrüll der Krieger unter, die ihnen auf den Fersen waren. Die engen Gänge zwischen den Hütten verwirrten Cato. Er musste einen Augenblick innehalten, um sich zu orientieren. Figulus und die anderen duckten sich und sahen sich wachsam um.
»Wo ist Lucius?«, flüsterte jemand. »Und Severus? Sie waren gerade noch hinter mir.«
Einer der Römer richtete sich auf und wollte wieder in die Richtung laufen, aus der sie gekommen waren.
»Bleib, wo du bist!«, zischte Cato. »Sie müssen sich auf eigene Faust durchschlagen. Genau wie Metellus und die anderen.«
»Aber, Herr … «
»Ruhe, Mann!« Cato warf einen Blick in den Sternenhimmel. »Da lang … glaube ich.«
»Glaubst du?«, murmelte einer der Männer.
Cato spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. »Schnauze. Dann eben hier lang. Los.«
Kurz darauf hatten sie die letzte Hütte hinter sich gelassen und liefen eine flache Böschung zum Ufer hinunter. Die grellen Sterne spiegelten sich auf der öligen Oberfläche des Wassers wider, das das Lager umschloss.
Figulus packte Catos Arm. »Da drüben!«
Cato folgte dem ausgestreckten Arm seines Optio und bemerkte die dunklen Umrisse mehrerer Boote, die in etwa fünfzig Schritt Entfernung am Ufer lagen.
»Sehr gut. Kommt mit.«
Sie liefen am Ufer entlang auf die mehr als ein Dutzend Boote zu. Aus einem drangen unverkennbare Geräusche. Figulus sah Cato an und zog einen Finger über seine Kehle. Cato schüttelte den Kopf. Es waren bereits zu viele getötet worden, und es war ihm zutiefst zuwider, ein Liebespaar dem Tod zu überantworten. Außerdem waren das Stöhnen und die Schreie der Leidenschaft laut genug, um jedes Geräusch zu übertönen, mit dem Cato und seine Männer zwei Boote in die Fluten schoben, bis ihnen das kalte Wasser bis zur Hüfte reichte.
»Optio«, flüsterte Cato.
»Herr?«
»Nimm diesen Mann mit und mach, dass du irgendwie von hier wegkommst. Dann marschiere nach Norden, bis du Vespasian erreichst. Du verrätst ihm, wo sich dieses Lager befindet. Sag ihm, dass Caratacus kurz davor ist, die Dritte Kohorte anzugreifen.«
»Und du, Herr?«
»Ich werde Maximius warnen.«
Figulus schüttelte betrübt den Kopf. »Das ist dein Begräbnis, Herr.«
»Vielleicht. Aber es steht schließlich nicht nur sein Leben auf dem Spiel. Du musst so schnell wie möglich Vespasian erreichen. Wenn er sich beeilt, könnte er die Dritte Kohorte noch retten und Caratacus zum Kampf zwingen.«
»Ja, Herr.«
»Dann geh.« Cato streckte die Hand aus, und die beiden Männer schüttelten sich die Unterarme. »Viel Glück, Optio.«
»Dir auch, Herr. Ich sehe dich dann bei der Legion.«
»Ja … los!«
Unter beträchtlichem Geplätscher kletterten die Römer in die beiden Boote. Ein dunkler Schatten tauchte aus einem der Kähne am Ufer auf, und eine Tirade übler keltischer Flüche verfolgte sie in die Dunkelheit, in die die vier Römer mit aller Kraft paddelten. Sobald sie eine gewisse Entfernung zwischen sich und das Lager auf der Insel gebracht hatten, warf Cato einen Blick über die Schulter. Die Hütten wurden vom schwachen Lichtschein flackernder Fackeln erhellt. Doch er konnte keine Anzeichen dafür erkennen, dass sie verfolgt wurden.
»Herr, wir haben’s geschafft!« Der Legionär, der bei Cato im Boot saß, lachte. »Wir sind diesen Hundesöhnen entkommen.«
Cato strengte die Augen an. »Du bist Nepos, richtig?«
»Ja, Herr.«
»Nun, Nepos, noch sind wir nicht außer Gefahr. Also sei so nett und halt den Mund. Leg dich in die Riemen.«
»Ja, Herr.«
Cato warf einen letzten Blick zurück und fragte sich, ob Metellus ebenfalls entkommen war. Von den Verurteilten, die mit ihm geflohen waren, war nur noch eine Handvoll übrig. Und auf den Schultern dieser Überlebenden ruhte das Schicksal Hunderter Kameraden, die sich ahnungslos dem Angriff gegenübersahen, den Caratacus bald entfesseln würde.
KAPITEL 35
B ist du dir da auch ganz sicher, Herr?«, fragte Nepos, als sie sich nur wenige Hundert Schritte vom Haupttor des Lagers entfernt ins hohe Gras duckten. Die Verteidigungsanlagen ragten bedrohlich aus dem dünnen Morgennebel. Sobald die beiden Männer den Sumpfweg verlassen und die abgeschlagenen Köpfe gesehen hatten, die entlang des Pfades auf Spießen steckten, hatte sie die düstere, unheilschwangere Atmosphäre des Tals sofort eingehüllt.
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