Cato 05 - Beute des Adlers
er die Hände aus dem Stoff und öffnete sie. Auf seiner Handfläche lag ein kleiner Feuerstein mit einer scharfen Kante. »Gib mir deine Hände.«
Figulus streckte sie ihm hin, und Cato fing sofort an, die dicken Lederriemen durchzuschneiden.
»Wo hast du den her, Herr?«
»Vom Bauernhof. Er sah ganz nützlich aus. Halt still.«
»Du hast ihn die ganze Zeit dort versteckt?« Figulus grinste. »War das nicht unbequem?«
»Du machst dir keine Vorstellung … und jetzt sei ruhig und halt still.«
Cato hielt die glatte Seite des Steins fest umklammert und sägte mit der scharfen Seite an den Lederstreifen herum. Er arbeitete so schnell und konzentriert wie möglich. Der ältere Krieger konnte trotz der Versuchungen, die ihm das Essen und Trinken der Feier boten, jeden Augenblick zurückkehren. Endlich war der erste Riemen durchgeschnitten, und Cato wandte sich den anderen beiden zu. Auch der zweite folgte sogleich – zusammen mit einem kurzen Schmerzensschrei, als der Feuerstein in Figulus ’ Haut fuhr.
»Was war das?«, fragte eine der Wachen.
»Was?«
»Hat sich angehört, als hätte sich da drin einer verletzt.«
Sein Kamerad kicherte böse. »Wenn sie jetzt schon anfangen zu schreien, wie wird das erst werden, wenn die Druiden sie in die Finger kriegen? Setz dich und ruh dich aus. Du wirst deine Kräfte morgen brauchen.«
»Stimmt.«
Cato holte tief Luft und säbelte weiter, wobei er sorgfältig darauf achtete, beim Durchtrennen des letzten Riemens seinen Kameraden nicht zu verletzen. Während der Stein immer tiefer ins Leder schnitt, spannte Figulus die Muskeln an. Dass der Riemen bis zum Zerreißen gedehnt war, erleichterte Cato die Arbeit. Kurz darauf riss die letzte Fessel.
»Jetzt ich«, flüsterte Cato und reichte ihm den Feuerstein. »Schnell!«
Figulus stürzte sich fieberhaft in die Arbeit, und nach wenigen Augenblicken waren auch Catos Arme und Beine befreit. Er rieb sich die schmerzenden Gelenke und bedeutete Figulus, sich um die anderen zu kümmern. Der Optio kroch durch den Pferch zum nächsten Mann hinüber. Sobald Cato sicher war, dass genug Blut durch seine Hände strömte, damit sie ihn im entscheidenden Augenblick nicht im Stich ließen, spähte er wieder durch das Loch im Korbgeflecht. Die beiden Wachen kauerten vor dem Eingang zum Pferch und starrten wehmütig zum Gelage hinüber.
Sobald der letzte Mann frei war, winkte Cato sie zu sich. Es waren nur noch zwölf übrig, und einer war von einem hartnäckigen Durchfall so geschwächt, dass er sich kaum aufrecht halten konnte.
»Keine Zeit für Einzelheiten, Männer«, flüsterte Cato schnell. »Vor dem Tor stehen zwei Wachen. Sobald wir es geöffnet haben, stürzen wir uns auf sie. Und dann rennen wir so schnell wie möglich aus dem Lager.«
»Und wo sollen wir hin?«, unterbrach ihn Metellus. »Hier ist doch überall Wasser. Es gibt nur einen Weg hinaus.«
»Da drüben sind ein paar Boote.« Cato deutete auf den Südteil des Lagers. »Ich habe sie auf dem Weg hierher bemerkt. Die schnappen wir uns.«
»Und dann, Herr?«
Cato sah Metellus direkt an. »Dann warnen wir die Kohorte und schicken Vespasian eine Nachricht.«
Einen Augenblick lang befürchtete Cato, Metellus würde Widerspruch einlegen, doch der Legionär nickte zustimmend.
»Also gut. Los geht’s. Wenn sich das Tor öffnet, dann schlagt zu – schnell.«
Cato drehte sich um und bahnte sich um die Pfützen und Kothaufen einen Weg zum Gattertor, das von außen gleich unterhalb des oberen Randes mit einem schweren Holzbolzen gesichert war. Während sich die anderen sprungbereit duckten, richtete sich Cato langsam zu voller Größe auf und spähte über das Tor, bis er die Rücken der beiden Wachen im Schatten erkennen konnte. Ohne sie aus den Augen zu lassen, streckte er die Hand über den Holzrahmen und tastete nach dem Bolzen. Seine Finger krochen das raue Holz entlang, doch erst als er sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte er den Bolzen zwar berühren, aber unmöglich greifen. Schließlich gab er auf und ließ sich keuchend zurückfallen.
»Scheiße«, murmelte er. »Ich komme nicht ran.«
»Versuch’s noch mal«, drängte Figulus. »Los, auf meinen Rücken.«
Der Optio ließ sich auf alle viere nieder und lehnte sich leicht gegen das Tor. Cato stellte einen Stiefel auf seine Schulter und zog sich langsam hoch. Figulus grunzte vor Schmerz, als sich die Sohlennägel in sein Fleisch bohrten. Dieses Mal konnte Cato mühelos über das Tor hinwegsehen und
Weitere Kostenlose Bücher