Cato 05 - Beute des Adlers
habt noch ein paar Tage Zeit, um euch von der Zweiten Legion zu verabschieden. Bezahlt eure Schulden, lasst euch eure Ersparnisse auszahlen und sagt Lebewohl. Abtreten.«
KAPITEL 42
Z ehn Tage später saßen Cato und Macro im Hafen von Rutupiae auf einer groben Holzbank vor dem Kai, an dem die Ajax vor Anker lag, das Handelsschiff, das sie und den Legaten über das Meer nach Gesoriacum an der gallischen Küste bringen würde. Die beiden trugen einfache Tuniken und sahen zu, wie der Kapitän die Träger anbrüllte, die die Ladung aus Weinkrügen löschten. Die Sklaven bemühten sich nach Kräften, die Amphoren zu beschädigen und dadurch zu einem kostenlosen Besäufnis zu kommen. Der Kapitän dagegen, der eine solche Fracht schon viele Male transportiert hatte, drohte jedem, der einen Krug zerbrach, damit, ihm die Haut vom Rücken zu ziehen. Seine heisere Stimme musste gegen die schrillen Schreie der Möwen ankämpfen, die auf der Suche nach Nahrung über dem Hafen kreisten.
Sie waren seit über einem Jahr nicht mehr in dem Hafen gewesen, von dem aus die Invasion ihren Anfang genommen hatte. Damals war Cato noch Optio in Macros Centurie gewesen: ein schüchterner, ängstlicher Neuling, der nicht damit gerechnet hatte, den Winter zu überleben. Im ersten Jahr des Feldzugs wurden ständig gewaltige Mengen an Lebensmitteln, Ausrüstung und Männern durch den Hafen von Rutupiae geschleust. Hunderte Schiffe waren durch den engen Kanal zur offenen See gefahren oder hatten auf einen freien Anlegeplatz gewartet. Tausende Sklaven waren damit beschäftigt gewesen, die Vorräte zu entladen, die die gefräßige römische Kriegsmaschinerie so dringend benötigte.
Danach war weiter die Tamesis hinauf ein Feldlager errichtet worden. Dort hatte sich Kaiser Claudius mit seiner Armee vereinigt und war nach Nordosten weitergezogen, um Caratacus ’ Hauptstadt Camulodunum zu belagern. Rutupiae war für das Militär nur noch von untergeordneter Bedeutung. Dafür hatten sich in großer Zahl Zivilisten um den Hafen herum angesiedelt. Die Armeebaracken waren Lagerhäusern gewichen, und auf einem behelfsmäßigen Forum tummelten sich Kaufleute und Wucherer zwischen den Buden der Händler, die aus Gallien gekommen waren, um einen neuen Markt für ihre Waren zu erschließen.
»Kaum zu glauben, wie schnell sich das alles verändert hat«, sagte Cato.
»Ist der Fortschritt nicht großartig?« Macro grinste. »Warte noch ein paar Jahre, dann wird es so aussehen, als wären die Römer schon immer hier gewesen. Eigentlich ein nettes Plätzchen für den Ruhestand.«
»Ist das dein Ernst?«
Macro dachte einen Augenblick lang darüber nach. »Nein. Das Wetter ist zum Kotzen und der Wein schmeckt wie Pisse. Da wäre mir ein schönes kleines Gehöft in Campania lieber. Ein Onkel von mir hat in der Nähe von Herculaneum ein kleines Weingut. Das wäre schon eher nach meinem Geschmack. Ich könnte meinen Lebensabend an einem ruhigen Ort am Meer verbringen, wo die größte Gefahr für Leib und Leben verdorbene Austern sind.«
Cato zwang sich zu einem Lächeln. Macro hatte nicht einmal mehr drei Jahre zu dienen. Cato dagegen standen noch weitere dreiundzwanzig Jahre bei den Adlern bevor – wenn er denn so lange überlebte. Das gelang nicht vielen. Wenn einen der Feind nicht umbrachte, fiel man früher oder später den Strapazen des Militärlebens zum Opfer. Die beiden Männer ließen den Blick über die kleine Siedlung und das sanft gewellte Ackerland dahinter schweifen. Sie wussten, dass sie diese Insel nie wiedersehen würden. Schließlich durchbrach Cato die Stille.
»Was geschieht jetzt mit uns?«
Macro spitzte die Lippen. »Wir werden einer anderen Legion zugeteilt, nehme ich an. Hoffentlich ein gemütlicher, ruhiger Besatzungstrupp, vorzugsweise in Syria.« Beim Gedanken an seine Lieblingsfantasie bekam Macro glänzende Augen. »Ja, Syria wäre wirklich schön … «
Cato wusste, dass sich sein Freund noch eine ganze Weile seinen Tagträumen hingeben würde, und winkte einen vorbeiziehenden Weinhändler zu sich. Der Händler, ein dunkelhäutiger Kerl mit griechischem Akzent, grunzte beim Anblick der Militärbecher, die sie aus ihrem Rucksack zogen. »Soldaten, wie?«
Cato nickte.
»Gerade angekommen?«, fragte der Weinhändler hoffnungsvoll. »Ich kann euch ein paar gute Tavernen mit den schönsten Frauen empfehlen.«
»Nein. Wir verlassen die Insel. Mit diesem Schiff.«
»Schade. Dieser Tage bekommen wir nicht viele Legionäre zu
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