Cato 09 - Gladiator
Stein von der Ecke des Schildes abprallte. Mit hämmerndem Herzen erreichte er den Fuß der Leiter.
»Mach Platz!«, rief er dem Mann zu, der soeben nach oben klettern wollte. Vor ihm war noch ein zweiter Mann, der die Leiter bereits zur Hälfte erklommen hatte. Rechts und links neben ihm kletterten weitere Aufständische an der Mauer hoch. Ajax nahm den Speer in die Schildhand, packte die Leiter und eilte die Sprossen hoch. Dabei stellte er fest, dass die Mauersteine ohne Mörtel aufeinandergeschichtet waren, und bedauerte unwillkürlich, dass seine Armee über keine Belagerungswaffen verfügte. Ein Katapult oder eine geschützte Ramme hätten kurzen Prozess mit der notdürftig ausgebesserten Mauer gemacht. Die Verteidiger waren auf die Leitern aufmerksam geworden und stießen Warnrufe aus. Er blickte nach oben und machte mehrere Köpfe aus, die sich über die Brustwehr neigten. Gleich darauf prallte ein weiterer Stein gegen seinen Schild.
»Zielt auf die Männer auf der Mauer!«, brüllte Chilo. »Nehmt Steine! Mauerbrocken! Alles, womit sie uns bewerfen!«
Einer der Aufständischen bückte sich, hob etwas auf und schleuderte es nach oben, was einige Verteidiger zurückweichen ließ. Mehrere Wurfgeschosse trafen die Männer am Boden, richteten aber kaum Schaden an, da sie von den Rüstungen abprallten, die sie von Marcellus’ gefallenen Soldaten erbeutet hatten. Der vor Ajax befindliche Mann hatte die letzte Leitersprosse erreicht. Er schwang das Bein über die Brüstung und verschwand dahinter, während Ajax weiterkletterte. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er war sich seiner Verletzlichkeit überdeutlich bewusst und verspürte eine Angst, die ganz anders war als die gewohnte Anspannung in der Arena oder vor einer Schlacht. Er fuhr mit der Rechten das raue Mauerwerk entlang, bis er den Rand ertastete. Er schob die Hand über die Brüstung, legte sie um den Innenrand, zog sich hoch und schwang das Bein hinüber. Obwohl er mit Hand und Fuß guten Halt hatte, bedurfte es einiger Anstrengung, die Brüstung zu erklimmen, denn die Rüstung und der Speer vergrößerten sein Gewicht.
Ajax landete auf den Füßen, nahm den Speer gleich wieder in die Rechte und suchte Deckung hinter dem Schild. Er richtete sich auf und blickte sich nach beiden Seiten um. Der Mann, der vor ihm die Mauer erklommen hatte, kämpfte zur Rechten und verteidigte verzweifelt seine Stellung. Ajax blickte in die andere Richtung. Ein Trupp Römer bemühte sich, die Leitern umzuwerfen. Sie stachen mit ihren Speeren auf die Angreifer ein und versuchten, die Leitern von der Mauer wegzudrücken. Zum Glück waren sie von der unmittelbaren Gefahr so in Anspruch genommen, dass sie ihn noch nicht bemerkt hatten. In der Stadt strömten immer mehr Verteidiger auf die Straßen und eilten zur Treppe am Pförtnerhaus, um ihren Kameraden beim Kampf gegen die Aufständischen beizustehen.
Entschlossen fasste Ajax den Speer überhand, setzte den Schaft auf dem Schildrand auf und näherte sich den Verteidigern. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass der nächste Mann die Mauer erklommen hatte.
»Mir nach!«, befahl er und rückte auf dem schmalen Laufgang vor. Er näherte sich dem ersten Römer bis auf einen Abstand von zehn Fuß, bevor er bemerkt wurde. Der Mann hatte kaum noch Zeit, sich umzudrehen, da griff der Gladiator ihn auch schon mit dem Speer an. Die Eisenspitze durchbohrte die Hand, die sein Gegner abwehrend erhoben hatte, drang in seinen Hals, durchtrennte die Luftröhre und das Rückgrat und trat im Nacken wieder aus. Ajax drückte den Schild vor, schleuderte den Mann beiseite und riss den Speer aus ihm heraus, dann wandte er sich dem nächsten Gegner zu. Ein stämmiger Optio hatte es geschafft, eine der Leitern umzuwerfen. Jetzt riss er das Schwert aus der Scheide und griff mit vorgehaltenem Schild Ajax an.
Einen Moment lang taxierten die beiden Männer einander. Ajax sah auf den ersten Blick, dass der Optio ein erfahrener, tüchtiger Kämpfer war. Er hatte einen guten Stand und hatte sich geduckt, um in dem Moment, da sich ihm eine Chance bot, kraftvoll anzugreifen.
Ajax hob den Speer an und täuschte einen Angriff auf das Gesicht des Optios vor. Der Mann parierte den Ausfall mühelos und nahm wieder die Grundhaltung ein. Dann warf er sich auf einmal vor und zielte auf Ajax’ Lendengegend. Ajax schwenkte den Schild herum, lenkte den Stoß ab und stieß mit seinem eigenen Speer zu, ehe der Optio wieder zurückweichen
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